Ziviler Friedensdienst

Von Karin Adelmann · · 1999/12

Deutschlands neue außenpolitische Doktrin

„Das ist einer meiner persönlichen Schwerpunkte“, hatte die neue Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erklärt. Und im Haushalt 1999 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurden sechs Millionen Mark für den Aufbau eines „zivilen Friedensdienstes“ bereitgestellt.

So gibt es seit Herbst 1998 auf verschiedenen Ebenen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Auswärtigen Amtes (AA) eine Vielzahl von Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden, auch mit Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), Wissenschaftlern und Forschungsinstituten, politischen Stiftungen und Kirchen. Ziel ist ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept der deutschen Bundesregierung zum Thema „Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung“, das auch die politischen Erfahrungen und Potentiale der Zivilgesellschaft einbezieht. Im BMZ wurde ein eigenes Referat für Außen- und Sicherheitspolitik, Krisenprävention und Konfliktbearbeitung eingerichtet, das unter anderem an der Entwicklung von „Krisen-Indikatoren“ arbeitet, die in die Länderkonzepte des Ministeriums einbezogen werden sollen.

Der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) wurde mit der Organisation eines „Zivilen Friedensdienstes“ beauftragt, der noch in diesem Jahr die ersten Friedensfachkräfte entsenden will. Nach der derzeitigen Planung sollen rund 30 erfahrene EntwicklungshelferInnen, die eine zusätzliche Qualifizierung in Fragen der Konfliktbearbeitung erhalten haben, in die Länder Sudan, Ruanda, Tschad, Simbabwe, Peru und Guatemala entsandt werden. Die Federführung des staatlichen DED beim Aufbau des „zivilen Friedensdienstes“ war anfangs heftig umstritten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlungs- und Menschenrechtsarbeit sei politische Neutralität und Regierungsunabhängigkeit argumentierten VertreterInnen der katholischen Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) und des evangelischen „Dienstes in Übersee“ (DÜ). Auch auf die fehlende Erfahrung des DED in diesem Bereich wurde von seiten der NROs hingewiesen.

Insgesamt steckt die Diskussion über Ausbildungskonzepte und Curricula für die zivile Friedensarbeit noch in den Anfängen. Das Auswärtige Amt hat im September 1999 in seiner Aus- und Fortbildungsstätte in Bonn-Ippendorf mit der Einrichtung von Grundkursen für das Personal von Friedensmissionen im Rahmen der UN, der OSZE und regionaler Zusammenschlüsse begonnen. In zweiwöchigen Kursen erhalten die TeilnehmerInnen eine breit angelegte Schulung. Rechtsfragen, Verhalten in Konfliktfällen und Verhandlungsführung gehören ebenso dazu wie eine Sanitätsausbildung, Bedienung von Funkgeräten, Allradfahrzeugen und Einschätzung militärischer Bedrohungssituationen.

Während der „zivile Friedensdienst“ des BMZ als ein neues Instrument der Entwicklungszusammenarbeit angesehen wird, handelt es sich bei den Friedensfachkräften des Auswärtigen Amtes um Personal für Missionen mit einem ausdrücklichen Mandat supranationaler Institutionen. Der Staatsminister im Außenamt, Ludger Volmer, sprach bei der Vorstellung des Konzepts von „einer Art dritte Gattung zwischen Diplomaten und Militärs“. Die Nachfrage nach solchem Personal, das qualifiziert sei, mit nichtmilitärischen Mitteln zu intervenieren, steige ständig.

Die Ideen zur Einrichtung eines „zivilen Friedensdienstes“ reichen bis in die frühen neunziger Jahre zurück. Die konzeptionelle Spannweite reichte damals von einer professionellen zivilen Truppe für einen breit gefächerten Bereich humanitärer Einsätze (Not- und Katastrophenhilfe, „Grünhelme“, Wahlbeobachtung, Konfliktintervention etc.) bis hin zu grundsätzlichen Alternativen zur Bundeswehr.

Parallel zu Initiativen auf politischer Ebene schlossen sich engagierte Gruppen, vor allem der Kirchen und der alten Friedensbewegung, Anfang 1996 zu einem „Forum Ziviler Friedensdienst“ zusammen. Einen Finanzantrag des Forums über 3 Mio. DM lehnte das BMZ im Sommer 1996 mit dem Hinweis auf mangelnde Professionalität und unklare Zielvorstellungen ab. Zu der erhofften praktischen Zusammenarbeit mit dem BMZ kam es erst nach dem Regierungswechsel 1998.

Zuvor überwog im BMZ die Skepsis. Das „Forum Ziviler Friedensdienst“ hatte sich damals energisch aber vergeblich gegen die Unterstellung gewehrt, es plane eine Art „Kinderkreuzzug“ und die Entsendung „feiwilliger Amateure“.

Zum Stimmungswandel im BMZ haben eine Reihe von Berichten und Schriften beigetragen, in denen die konkreten Erfahrungen der Menschenrechts- und Friedensarbeit von Organisationen wie Eirene, Weltfriedensdienst (WFD), DÜ oder der AGEH beschrieben werden. Heute sind sich alle Beteiligten einig, daß ein „ziviler Friedensdienst“ hochprofessionell und mit sehr qualifiziertem Personal arbeiten muß und daß gerade bei der sogenannten „Graswurzelarbeit“ in Krisengebieten der Schulung von einheimischem (muttersprachlichem) Personal und der Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen eine zentrale Rolle zukommt.

Einig ist man sich auch, daß die nationalen und internationalen Ausbildungsgänge und die Einsätze der Friedensfachkräfte miteinander verzahnt sein müssen. Diskutiert wird über die Gründung einer „Akademie für internationale Friedensmissionen“, die zu einer „OSZE-Akademie“ fortentwickelt werden könnte und über die Gründung einer „Ausbildungsstätte Zivile Konfliktbearbeitung“. Doch dies ist Zukunftsmusik.

Karin Adelmann ist ständige Mitarbeiterin der in Frankfurt erscheinenden Zeitschrift epd-Entwicklungspolitik.

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