Victoire. Ein Frauenleben im kolonialen Gouadeloupe

Von Redaktion · · 2011/10

Maryse Condé

Roman. Aus dem Französischen von ­Peter Trier. litradukt Literatureditionen, Kehl 2011, 264 Seiten, EUR 15,80

Maryse Condé, eine schwarze, aus Gouadeloupe stammende Schriftstellerin, zeichnet hier ein Sittengemälde der französischen Karibik zur Kolonialzeit.

Die Autorin fabriziert eine Identität für ihre Großmutter Victoire, die sie selbst nie kennen gelernt hat. Sicher ist, dass Vic­toires weiße Hautfarbe und ihre glatten Haare unter der restlichen schwarzen Familie eine Ausnahme waren. Dadurch wurde sie zur Außenseiterin nicht nur in ihrer schwarzen Familie, sondern auch in der herrschenden weißen kreolischen Bevölkerung. Die Familiengeschichte dieser Frauen der Oberschicht ist geprägt von rassistischen und kolonialen Vorurteilen.

Die gesellschaftliche Hierarchie ist eingeteilt in Weiße, Mulattinnen und Negerinnen (sic). Freie Verbindungen dazwischen sind unvorstellbar. Männer und Väter gibt es nur selten in der Familie. Die vier Generationen von Frauen, dienend, nicht nur als Arbeitskraft, sondern auch als weiblicher Körper, gleichen sich auch in ihrer starken Liebe zu ihren Kindern, die sich in Distanz und Sprachlosigkeit ausdrückt. Für jede von ihnen hat dies verheerende Folgen. Mit 16 (1890) bekommt Victoire ein Mädchen namens Jeanne. Der Vater, doppelt so alt wie sie, ist zugleich auch der Partner ihrer Herrin und Patentante. Als der Skandal öffentlich wird, ist der fragliche Mann verschwunden.

Maryse Condé verarbeitet hier nicht einfach nur Fakten ihrer Familie zu einem Roman, sondern nutzt diesen als Plattform, um die Geschichte ihres Landes und seiner Frauen aufzuarbeiten und aufzuzeigen. Immer wieder fragt sie nach, ob tradierte, öffentliche Ansichten stimmen. Der Vater von Victoires Kind ist einer der ersten schwarzen Politiker des Landes. Als er 1899 stirbt, trägt das ganze Land Trauer. Er war ein Mensch, der in der Öffentlichkeit brillierte und im Intimleben Frauen ausnutzte, weibliche Leben zerstörte und eine Unzahl von „Bastarden“ ohne Vater in die Welt setzte.
Christine Kohlmayr

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