Die Krise hat den Reichtum der Reichen angeknabbert, aber nicht zerstört. Die großen Vermögen wurden lediglich auf das Niveau von 2005 oder 2006 zurückgeworfen, die Einkommensorgie dauert an. Um die Krisenkosten zu bewältigen, wäre die globale Besteuerung der Superreichen ein Gebot der Stunde, meint Christian Felber.
Die nächsten Jahre werden eine Verschärfung der sozialen Krise und turbulente politische Zeiten bringen. Denn es müssen die Rechnungen beglichen werden, die schon bisher durch die Rettung ausgewählter Unternehmen und Branchen sowie durch die explodierende Arbeitslosigkeit angefallen sind und ständig weiter anfallen. Die Regierungen versuchen, die Krisenkosten auf die Allgemeinheit überzuwälzen – über höhere Staatsschulden und weitere Sparpakete. Damit setzen sie das neoliberale Umverteilungsprogramm der letzten 25 Jahre fort, das sich immer deutlicher zum Klassenkampf von oben und damit zu sozialem Sprengstoff entwickelt. Die ökonomisch und sozial sinnvollste Alternative zu dieser demokratiegefährdenden Politik wäre die Besteuerung der in den letzten 30 Jahren angehäuften Finanzvermögen, deren Überakkumulation nicht nur die Hauptursache für die soziale Kluft, sondern auch für die Krise ist. Doch Vermögenssteuern sind für die Regierungen immer noch ein Tabu. Vorbeugend wird das Argument in Umlauf gesetzt, dass der Reichtum durch die Krise weitgehend vernichtet worden sei: Es gäbe gar nichts zu besteuern. Dieses „Argument“ entbehrt jeder Grundlage. Hier einige Fakten.
Dem aktuellen Weltreichtumsbericht von Capgemini und Merrill Lynch zufolge ist sowohl die Zahl als auch das Vermögen der Dollar-Millionäre alias „High Net Worth Individuals“ (HNWI) lediglich auf das Niveau von 2005 zurückgegangen. Die Zahl der Dollarmillionäre ist 2008 um 15 Prozent von zehn Millionen auf 8,5 Millionen zurückgegangen, ihr summiertes Vermögen um knapp 20 Prozent von 41 Billionen US-Dollar auf 33 Billionen. Damit gab es immer noch mehr HNWI und diese waren reicher als 2004. Gemessen am Vermögensvernichtungseffekt ist die aktuelle Krise eine kleine Delle. Und glaubt man den Prognosen des Berichts, dann soll die Zahl der HNWI bis 2013 schon wieder jährlich acht Prozent zulegen. Ihr Vermögen soll dann knapp 50 Billionen Dollar betragen – fast soviel wie die aktuelle Weltwirtschaftsleistung.
Besonders spurlos ging die Krise an den Millionären Deutschlands vorüber. Ihre Zahl verringerte sich lediglich von 833.000 auf 810.000. Auch in Österreich blieb die große Vermögensvernichtung aus: Die Zahl der Millionäre sank von 77.000 auf 70.000 und blieb damit auf dem Niveau von 2006. Österreichs Topmanager nagen ebenfalls noch nicht am Hungertuch: Ihre Bezüge sanken 2008 laut Aktienforum nur um 6,3% – ein Bruchteil des Anstiegs der letzten Jahre. Ein Drittel der Vorstände börsennotierter Konzerne freute sich sogar über Einkommenssteigerungen von mehr als zehn Prozent. Die drei Topverdiener der Erste Bank, Andreas Treichl, Franz Hochstrasser und Elisabeth Bleyleben-Koren, kassierten zusammen 7,3 Millionen Euro. In defizitären und vom Staat geretteten Banken wie Kommunalkredit, Bawag oder Volksbank erfreute sich das Top-Management 2008 saftiger Einkommenszuwächse.
Dass es in globalen Krisenzeiten weder mit Rekordboni noch mit Traumprovisionen vorbei ist, zeigen auch die jüngsten Spitzenverdienste der Hedge-Fonds-Manager. Zwar erreichte der bestbezahlte Fondsmanager, John Paulson, nicht seinen Allzeitrekord aus dem Jahr 2007 von 3,7 Milliarden Dollar – das 360.000-fache des gesetzlichen US-Mindestlohns. Doch 2008, im Jahr des Finanzcrashs, lag sein Salär mit zwei Milliarden Dollar immer noch in perverser Höhe. Kollege James Simon musste sich nicht ganz so bescheiden und strich 2,5 Milliarden Dollar ein (2007: 2,8 Milliarden). Die 25 erfolgreichsten Hedge-Fonds-Manager kassierten im Jahr, in dem die Investmentbanken verschwanden, im Schnitt eine halbe Milliarde Dollar.
Angesichts dieser Faktenlage sollte nicht nur die gesetzliche Erfassung der globalen Vermögen in Angriff genommen werden (alle zitierten Daten werden privat ermittelt), sondern auch konsequent ihre Besteuerung. Ein Prozent HNWI-Steuer würde derzeit 320 Milliarden Dollar ergeben, zwei Prozent 640 Milliarden Dollar. Trifft die Prognose des World Wealth Report von 2013 ein, würde das Steueraufkommen bei einem Steuersatz von einem Prozent auf 480 Milliarden Dollar steigen und bei zwei Prozent auf 960 Milliarden Dollar. Rein numerisch stellt dies fast alle anderen „Kandidaten“ für globale Steuern in den Schatten.
Die Mittel der Geberländer in der globalen Entwicklungszusammenarbeit beliefen sich 2008 auf 130 Milliarden Dollar – viel zu wenig, um die Millenniumsziele der UNO zu finanzieren, geschweige denn, um die sich auftürmenden globalen Krisenkosten zu bewältigen. PolitikerInnen, die von „einer Welt“, vom „Global Village“ oder von einer „Globalisierung mit menschlichem Antlitz“ sprechen, sollten die Steuerpflicht der Globalisierungsgewinner jetzt zum Thema machen. Die Freiheiten und Rechte der Global Players wurden in den letzten Jahrzehnten Zug um Zug ausgeweitet und in Völkerrechtsrang erhoben. Auf der Pflichtenseite herrscht dagegen bislang gähnende Leere. Eine HNWI-Steuer wäre ein wichtiges Element eines überfälligen Pflichtenkatalogs für die Globalisierungsgewinner – und ein Mittel dagegen, dass die Demokratie zu einem Opfer der Krise wird.
Christian Felber ist freier Publizist, Mitbegründer von Attac Österreich und Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Am 17. August erschien bei Deuticke sein neues Buch „Kooperation statt Konkurrenz. 10 Schritte aus der Krise“.