Sieg im Gletscherpoker

Von Antje Krüger · · 2010/11

Argentinien hat ein Gesetz zum Schutz der Gletscher – und zum Nachteil der Bergbauunternehmen – verabschiedet. 

Kaum jemand hatte mehr damit gerechnet. Nach zweijährigem Ringen wurde im Kongress von Buenos Aires in der Nacht vom 29. September nach einer Marathonsitzung das Gesetz 26.418 zum Schutz der Gletscher und ihres peripheren Umfelds verabschiedet. Damit sind endlich diejenigen Eismassen geschützt, in denen 75% der Trinkwasserreserven des Landes lagern. Die Mehrheit von 35 zu 33 Stimmen war denkbar knapp. Und sie hatte sich nicht vorher abgezeichnet. Denn das Gesetz greift massiv in die Interessen vor allem internationaler Bergbauunternehmen ein, die in den Anden Gold und andere Metalle schürfen.

Die Geschichte des Gletscherpokers ist lang. Im Oktober 2008 wurde eine Gesetzesvorlage der Abgeordneten Marta Maffei schon einmal einstimmig in Abgeordnetenhaus und Senat beschlossen. „Das Gesetz setzt Bergbauprojekten immer da Grenzen, wo Gletscher oder deren Umfeld gefährdet sind“, so Marta Maffei im Radio Mitre. Doch schon 19 Tage später wischte Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner das Projekt vom Tisch. Ihr Veto erhielt schnell den Eigennamen Veto Barrick, benannt nach dem kanadischen Bergbaukonzern Barrick Gold Corporation, der diverse Minen in Argentinien betreibt. Mittlerweile prüft gar die Justiz die Rechtmäßigkeit des Vetos. Vor dem G20-Gipfel im Juni 2010 in Toronto aß Präsidentin Fernández de Kirchner mit dem Chef der Barrick Gold, Peter Munk, zu Mittag.

Argentinien hat das sechstgrößte Bergbaupotenzial der Erde. Die meisten Projekte liegen auf über 4.000 Metern Höhe in den Anden, direkt unter Gletschern oder in deren unmittelbarer Nachbarschaft. „Wenn für eine Mine ganze Berge weggesprengt werden, legt sich Feinstaub auf die Gletscher, die dann die Sonneneinstrahlung nicht mehr reflektieren und schneller schmelzen. Deswegen ist auch der Schutz des peripheren Umfeldes der Gletscher so wichtig, zumal weniger als die Hälfte des Gletschers als weißer Gletscher sichtbar ist“, erklärt Ricardo Vargas vom Umweltbüro San Guillermo. Die Voruntersuchungen zeigen, wie erstrebenswert Argentinien für internationale Bergbauunternehmen geworden ist. Allein in den letzten sieben Jahren ist die Zahl der Probebohrungen um 700% gestiegen.

Es ist dem breiten öffentlichen Interesse zu verdanken, dass nach dem Veto der Präsidentin weiter an einem Gesetz zum Schutz der Gletscher festgehalten wurde. Und dass sich Allianzen quer durch alle Parteien bildeten. Doch bis dies geschah, wurde mit parlamentarischen Taschenspielertricks die Abstimmung immer wieder verhindert und verschoben. Auch die Abstimmung selbst hob sämtliche parteipolitischen Blöcke auf, ein Novum im Umweltschutz. Welche konkreten Auswirkungen das Gesetz nun auf bestehende Bergwerke hat, lässt sich allerdings noch nicht sagen.

Antje Krüger studierte Politikwissenschaft an der FU Berlin. Sie arbeitet als freie Journalistin, insbesondere über Argentinien und Chile.

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