Schöne Worte, unverbindlich

Von Elfriede Schachner · · 2002/05

Die Monterrey-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung hat, wie erwartet, keine zufriedenstellenden Ergebnisse gebracht.

Monterrey, die Industriestadt im Norden Mexikos, wurde als Konferenzort gewählt, um der Welt stolz die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu zeigen. In einem Industriepark rund um ein stillgelegtes Stahlwerk diskutierten NGO-VertreterInnen einige Tage vor der UN-Konferenz „Financing for Development“ darüber, was getan werden muss, um die von der UNO beschlossenen Milleniumsziele – Halbierung der absoluten Armut bis 2015 – zu erreichen. Wobei sich die Frage aufdrängt: Was passiert denn mit der anderen „Hälfte“ der Armen?
Bei der offiziellen UN-Konferenz vom 18. bis 22. März wurden im Plenarsaal zuerst auf Ministerebene, an den beiden letzten Tagen auf Ebene der Staatschefs aus 189 Ländern Statements „verlesen“, Österreich war durch den Staatssekretär für Kunst vertreten. Richtig spannend wurde es bei den Side Events: in eineinhalbstündigen Veranstaltungen nahmen sich VertreterInnen von Regierungen, NGOs, aus dem Privatsektor (Business Forum), UN-Sonderorganisationen und Internationalen Finanzinstitutionen auch jene Themen vor, die im „Monterrey Consensus“, dem Abschlusspapier der Konferenz, nicht (mehr) enthalten waren: Devisentransaktionssteuer (Tobin Tax), faires und transparentes Insolvenzverfahren (hatte angesichts des argentinischen Finanzdebakels besondere Brisanz), Erschließung zusätzlicher internationaler Quellen für die Finanzierung von globalen öffentlichen Gütern (wie Gesundheit und Umwelt) oder die Verdoppelung der staatlichen Entwicklungshilfeleistungen. Dieser schon vor der Konferenz ausgearbeitete „Consensus“ wurde lediglich durch Akklamation im Plenarsaal angenommen, Änderungen waren nicht mehr möglich.

Interessant war es, die ungleichen Machtverhältnisse zu beobachten. Z.B. Gleichheit der Geschlechter: Der Plenarsaal war von dunkel gekleideten männlichen Delegierten dominiert, Frauen waren unterrepräsentiert – dabei sind 70% aller Armen der Welt Frauen, also jene Gruppe, um die es bei der Konferenz schließlich gehen sollte.
Oder das Machtspiel zwischen USA und Kuba: Fidel Castro musste nach seiner flammenden Rede sofort wieder nach Kuba zurückkehren, um George Bush nicht am Flughafen zu begegnen. Die USA dementierten natürlich den Vorwurf einer erzwungenen vorzeitigen Abreise.
Während Chirac, Bush, Aznar, Prodi, Wolfensohn (Weltbank), Köhler (IWF) und Moore (WTO) vormittags sprachen, waren Vertreter „unbedeutender“ Länder erst nachmittags und abends vor halb leerem Plenarsaal an der Reihe.
Was brachte nun die Konferenz? Positiv war die Möglichkeit der weiteren Vernetzung mit NGO-VertreterInnen aus dem Süden und KollegInnen aus Deutschland und der Schweiz, mit denen wir bereits im vergangenen Herbst einen gemeinsamen Forderungskatalog für die Konferenz erarbeitet hatten. Schon am Frühstückstisch im Hotel diskutierten wir über den US-Vorschlag, in Hinkunft mehr Zuschüsse (grants) statt Krediten (loans) zu vergeben, beim abendlichen Tequila führten wir Gespräche über die Folgen der Weltbankpolitik und tauschten Erfahrungen mit anderen europäischen NGOs aus.

Die meisten NGO-VertreterInnen zeigten sich vom Ergebnis enttäuscht. UN-Großkonferenzen dürfen eben nicht überschätzt werden. Natürlich ist der Monterrey Consensus nur der kleinste gemeinsame Nenner, das Papier enthält außer vielen schönen Worten kaum verbindliche Verpflichtungen. Die Konferenz ging ohne institutionelle Reformen der internationalen Finanzorganisationen zu Ende, und die positive Rolle von Handelsliberalisierungen und ausländischen Direktinvestitionen wurde sicherlich überbewertet. Handel wird heute als alleiniges Allheilmittel für die Probleme der Entwicklungsländer gesehen, ohne jedoch Fragen nach der Verantwortung der Wirtschaft im Bereich Umwelt und Soziales im Rahmen von verbindlichen Mindeststandards zu stellen – hier lässt sich deutlich Washingtons Handschrift herauslesen.

Die EU und die USA haben noch in letzter Sekunde etwas mehr Mittel für die Entwicklungshilfe zugesagt. Dennoch sind die Ergebnisse bei weitem nicht ausreichend. Wir werden die österreichische Regierung zu Initiativen bis Johannesburg (UN-Gipfel für Nachhaltige Entwicklung Ende August) drängen, die Umsetzung der in Monterrey gemachten Versprechen einmahnen und die aus dem Monterrey Consensus herausgefallenen Themen weiterhin vorantreiben. Johannesburg muss mehr bringen als Monterrey, die Welt und auch Österreich hat keine unbegrenzte Anzahl von Chancen!


Auf der gemeinsamen Konferenz-Seite von KOO und AGEZ (www.koo.at) sind die täglichen Berichte zu Monterrey von Martina Neuwirth (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz) und Elfriede Schachner (AGEZ) nachzulesen. Beide nahmen als Mitglieder der österreichischen Delegation an der Konferenz teil.
Ebenso findet sich dort der NGO-Forderungskatalog der AGEZ, der gemeinsam mit dem deutschen (VENRO) und dem Schweizer (SWISS COALITION) Dachverband entwicklungspolitischer Organisationen für die Konferenz erarbeitet wurde.

Elfriede Schachner ist Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit, einer Plattform von 29 österreichischen entwicklungspolitischen Organisationen.

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