Cornelius Schlicke
Sachbuch. Parthas Verlag, Berlin 2012, 368 Seiten, Euro 19,90
Das Rezept erscheint einfach: Man nehme aus jedem Land den bekanntesten Rhythmus und mixe daraus die Musikgeschichte Lateinamerikas. So etwas suggerieren der Titel und auch noch ein oberflächlicher Blick auf das Inhaltsverzeichnis. Doch das, was der Musikwissenschaftler Cornelius Schlicke unternimmt, ist sehr viel komplexer und weit informativer als ein süßer Cocktail. Der Mann weiß wirklich, wovon er spricht. In einem furiosen Galopp stellt er nicht nur die jeweils landestypischen Gesänge und Tänze vor, er entwirft auch ein farbenprächtiges Bild lateinamerikanischer Kulturgeschichte.
Von der Chicha, die sich beim Subproletariat in den Vororten von Lima größter Beliebtheit erfreut, über die international erfolgreichen Salsa-Varianten bis zu den Narcocorridos, mit denen die mexikanischen Drogenbosse ihre Taten verherrlichen lassen, reicht der Spannungsbogen.
Der Autor spürt gleich zu Beginn der Geschichte der berühmten Guantanamera nach, jenem vielschichtigen Lied aus der Sierra Maestra im östlichen Kuba, das mit einem Text des Befreiungshelden José Martí auch zu einer Art Revolutionshymne geworden ist. Urheberschaft von Melodie und verschiedenen Texten ließen sich auch gerichtlich nicht klären. Tatsache ist, dass wohl kaum ein Lied aus Lateinamerika so oft gecovert wurde und weltweit nach wenigen Takten erkannt wird.
Es wird auch verständlich gemacht, warum Volksmusik in Lateinamerika eine andere Konnotation hat als in Deutschland oder Österreich, und wie sich die Nueva Canción, das politisch engagierte Lied, aus der Folklore entwickelt hat.
Der Autor erzählt zwar flott und auch für Laien spannend, lässt den Leser, die Leserin aber keinen Moment vergessen, dass man es mit einem Musikwissenschaftler zu tun hat, der seine Fachkenntnisse oft mit großer Detailverliebtheit verrät. Dass neben einem ausführlichen Literaturverzeichnis auch eine Diskografie angehängt ist, erhöht den praktischen Wert des Buches, das auch als Nachschlagewerk gelesen werden kann. Leider werden Liedertexte nur in der deutschen Übersetzung abgedruckt. Eine zweisprachige Version wäre sicher nicht nur für SpezialistInnen interessant gewesen.
Ralf Leonhard
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