Politisch gelähmt

Von Nicola Glass · · 2014/03

Nach den Parlamentswahlen geht die politische Krise in Thailand weiter.

Suthep Thaugsuban will nicht locker lassen. Nach der Parlamentswahl am 2. Februar rief der Anführer der oppositionellen Proteste zu neuen Kundgebungen auf: „Wir werden solange weiter machen, bis das Thaksin-Regime beseitigt ist.“ Seit November wird Thailand von einem neuen Machtkampf erschüttert. Entzündet hatten sich die Demonstrationen gegen die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra an einer umstrittenen Generalamnestie. Diese hätte unter anderem Ex-Premier Thaksin Shinawatra, dem 2006 vom Militär gestürzten Bruder Yinglucks, die Rückkehr in die Heimat ermöglicht. Das brachte dessen politische Erzfeinde und Erzfeindinnen auf die Barrikaden: Für die alteingesessenen Eliten wie die konservative Mittelschicht Bangkoks, den Geldadel sowie die ultra-königstreuen TechnokratInnen und Militärs ist der Populist Thaksin ein rotes Tuch.

Der frühere Premier hatte seine wiederholten Wahlsiege vor allem mit den Stimmen der armen Landbevölkerung im Norden und Nordosten sowie vielen ArbeiterInnen und TagelöhnerInnen in der Hauptstadt errungen. Thailands alte Eliten, die für die Armen nur Verachtung übrig haben und Thaksin Stimmenkauf vorwarfen, sahen dadurch ihren Machtanspruch und ihre Privilegien bedroht. Vereint in ihrem Hass auf den Ex-Premier unterstützen die konservativen Eliten die Protestbewegung Sutheps. Als Yingluck Neuwahlen ausrufen ließ, erklärte Suthep, einst hochrangiges Mitglied der oppositionellen „Demokratischen Partei“, diese sabotieren zu wollen, da Yingluck eine Marionette ihres Bruders sei. Unter dem Vorwand des Rufes nach Reformen will Suthep einen nicht gewählten Volksrat einsetzen. KritikerInnen mutmaßen, dieser solle der konservativen Seite Macht und Pfründe sichern sowie alle progressiven Kräfte kaltstellen.

Allein in Bangkok blockierten Sutheps DemonstrantInnen 500 Wahllokale, in neun südlichen Provinzen gab es überhaupt keine Wahl. Die von der Wahlkommission verordneten Nachwahlen sollen im April stattfinden. Sunai Phasuk, Thailand-Repräsentant von „Human Rights Watch“ sorgt sich, dass das Land politisch gelähmt bleibt. Er geht zudem davon aus, dass die Gewalt zwischen GegnerInnen und AnhängerInnen der Regierung andauern werde: „Beide Seiten sind bewaffnet.“ Pitch Pongsawat, Politikwissenschaftler an der Chulalongkorn-Universität in Bangkok, erklärt: „Die Opposition redet zwar von Reformen, ignoriert aber, dass diese auf der Einhaltung demokratischer Prinzipien basieren müssen.“

Die Farbe der Hemden

In Thailands Machtkampf stehen sich zwei Lager gegenüber: die AnhängerInnen des früheren Premierministers Thaksin Shinawatra, oft als „Rothemden“ bezeichnet, und die alteingesessenen, konservativen Eliten des Landes. 2006 und 2008 hatten letztere als „Gelbhemden“ Schlagzeilen gemacht und sich wiederholt neu formiert. 2006 putschte das Militär gegen den seit 2001 amtierenden Thaksin.

Die von ihm mitgegründete Partei wurde 2007 wegen angeblichen Wahlbetrugs aufgelöst. Der ehemalige Premier, der – bis auf einen kurzen Aufenthalt in Thailand – seit dem Putsch vor allem in Dubai im Exil lebt, wurde 2008 wegen Korruption verurteilt. 2010 war geprägt von Massendemonstrationen, v.a. der „Rothemden“, gegen die Regierung von Premier Abhisit Vejjajiva.

Die vorgezogenen Parlamentswahlen 2011 gewann die der Protestbewegung nahe stehende Puea Thai Party. Yingluck Shinawatra, Thaksins Schwester, wurde Ministerpräsidentin. Um einen neuerlichen Putsch zu verhindern, erklärte sie nationale Versöhnung zu ihrem Ziel und mied Konflikte mit alten Eliten und dem Königshaus. Ein umstrittenes Amnestiegesetz löste im Herbst die jüngste Krise aus.  cbe

Die „Demokratische Partei“, die bislang alle Wahlen gegen Thaksin-treue Parteien verloren hat, ersuchte das Verfassungsgericht um Annullierung der Wahl, was dieses ablehnte. KritikerInnen empfinden als bizarr, dass Thailands größte Oppositionspartei, die den Urnengang boykottiert hatte und bei den Straßenprotesten kräftig mitmischt, unter anderem damit argumentierte, die Wahl habe nicht wie gesetzlich vorgeschrieben an einem Tag stattgefunden. Davon abgesehen könnte Yingluck und ihrer Partei „Puea Thai“ ein „juristischer Putsch“ drohen. Unter anderem untersucht Thailands Anti-Korruptionsbehörde Vorwürfe in Zusammenhang mit der Reis-Subventionspolitik der Regierung. Beim einem früheren „juristischen Putsch“ war Ende 2008 die Thaksin-nahe „People Power Party“ wegen angeblichen Wahlbetrugs durch einen Entscheid des Verfassungsgerichts aufgelöst worden  (s. SWM 2/2009).

Im Falle eines ähnlichen Szenarios werden die „Rothemden“ (siehe Kasten) wohl erneut protestieren: 2009 und 2010 hatten sie monatelang gegen die von der „Demokratischen Partei“ geführte Koalitionsregierung unter Abhisit Vejjajiva demonstriert. Nach Ansicht der Rothemden war Abhisit Ende 2008 illegitim an die Macht gelangt. Für die gewaltsame Niederschlagung der Proteste 2010 mit verantwortlich war der heutige Protestführer Suthep Thaugsuban, damals Vizepremier. Gegen Suthep und Abhisit hat die Generalstaatsanwaltschaft inzwischen Anklage wegen Mordes erhoben.

Anders als 2010 hat sich das Militär offiziell bisher nicht auf eine Seite geschlagen, obwohl Suthep eine militärische Intervention gefordert hat. Ob es zu einem neuen Putsch kommt, bleibt fraglich. Armeechef Prayuth Chan-ocha hat zwar ambivalente Andeutungen gemacht, dann aber wie andere hochrangige Militärs am 2. Februar gewählt. Die Armee ist politisch ebenso gespalten wie der Rest der Gesellschaft. BeobachterInnen glauben, dass ein Putsch wie 2006 heute nicht mehr so einfach durchzuführen wäre, da es nicht reiche, ausschließlich die Hauptstadt einzunehmen. Zudem würde das Netzwerk der Rothemden im Norden und Nordosten Thailands den PutschistInnen erbitterten Widerstand leisten.

Nicola Glass lebt seit zwölf Jahren in Bangkok, sie ist freie Südostasien-Korrespondentin für Hörfunk und Print.

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