Auch in Krisen haben Frauen eigene Bedürfnisse, Nöte und Ressourcen, die sich von denen von Männern unterscheiden. Wie humanitäre Hilfe diesen gerecht wird, war Thema des Humanitären Kongresses in Wien.
Wenn in einem Gebiet Hunger herrscht, hungern dann nicht alle gleich, egal ob Frau, Mann, alt oder jung? Soll einer Hilfsorganisation das Geschlecht von Menschen, die durch eine Katastrophe, einen Krieg in Not geraten sind, nicht egal sein? Die Antwort von Kristalina Georgieva ist ein deutliches Nein. „Geschlecht spielt eine Rolle“, so die Botschaft der EU-Komissarin für Internationale Zusammenarbeit, Humanitäre Hilfe und Krisenreaktion, die sie am 8. März leidenschaftlich vorträgt. „Es macht Sinn, Frauen bei Hilfsmaßnahmen bewusst wahrzunehmen“, bekräftigt auch Max Santner vom Internationalen Roten Kreuz in Österreich. Beispiel Flüchtlingsarbeit. Die meisten Menschen, die gegenwärtig vor der Gewalt in Syrien fliehen, kommen bei Gastfamilien in den benachbarten Ländern unter. Die Hauptlast tragen also private Haushalte, die in der Regel von Frauen gemanagt werden. Diese Frauen gelte es zu erreichen. „Auch im Krieg haben Menschen Sex, werden Frauen schwanger und gebären“, spricht Jesse Rattan von der Hilfsorganisation Care einen anderen Bereich an, wo es gelte, geeignete Hilfe zu leisten.
Beispiele wie diese wurden beim Humanitären Kongress, der am 8. März Persönlichkeiten aus den Reihen internationaler humanitärer Organisationen an der Universität Wien versammelte, viele erzählt. „Gender matters“, so das Motto der Veranstaltung, über das, den Vorträgen und Gesprächen nach zu urteilen, breite Einigkeit herrscht. Es war der zweite Humanitäre Kongress, den die in der Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung vereinigten Hilfsorganisationen organisierten. Mit dem Institut für Internationale Entwicklung wurde ein universitärer Partner gefunden. „Wir möchten Studierende für unsere Themen interessieren“, meint Veranstalter Andreas Papp von Ärzte ohne Grenzen. Das ist gelungen. Der große Festsaal ist voll, die Vorträge und Diskussionen sind rege besucht.
Hört man den Frauen und Männern zu, die bei der Tagung über die Arbeit und Erfahrungen ihrer Organisationen sprechen, entsteht der Eindruck, Geschlechtergerechtigkeit sei eine Utopie, die längst im Leben angekommen ist. Tatsächlich habe die internationale Gemeinschaft in den letzten Jahren viel in das Thema investiert, berichtet Anne Street von Caritas England.
Gender-Richtlinien, Analysen, das geeignete Wissen – das alles sei da. Was fehle, seien die Mittel für die Umsetzung. Mangelnde Finanzierung ist das eine – und gerade österreichische Hilfsorganisationen wissen davon ein Lied zu singen, sind die staatlichen Gelder für humanitäre Hilfe hierzulande doch beschämend niedrig. Das andere ist mangelndes Bewusstsein in den Organisationen selbst, meint Beris Gwynne, Leiterin des Genfer Büros von World Vision. „Wer für Geschlechtergerechtigkeit eintritt, isoliert sich oft selbst“, weiß sie aus ihrer beruflichen Erfahrung zu berichten. Entscheidungen zum Nachteil von Frauen würden auch dann getroffen werden, wenn Frauen in Führungspositionen sitzen. Dabei sind es nicht allein ihre Bedürfnisse und Lasten, die Frauen zu bevorzugten Adressatinnen von humanitären Maßnahmen machen sollten. Für Georgieva ist es vor allem ihre „erstaunliche Widerstandskraft“, wegen der es sich lohnt, sie in Krisen gezielt zu unterstützen.
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