Das Dashain Fest, das wichtigste hinduistische Fest des Landes, ist zu Ende gegangen. Nun wäre es für die politischen Akteure des Himalayastaates an der Zeit, wieder zusammenzuarbeiten und dem Friedensprozess neuen Schwung zu geben.
Die Hauptstraße von Pokhara ist gesperrt: eine Maoisten-Demonstration gegen die staatliche Anhebung des Bezinpreises. In langen Schlangen warten die Taxifahrer einen halben Tag lang auf eine Tankfüllung. „Nepal ist ein gutes Land, nur die Parteien sind schlecht. Ständig streiten sie und streiten und streiten“, erzählt uns Ram, der Taxifahrer, und lacht. Er biegt in eine Seitenstraße ab und erzählt, dass alle Parteien gleich sind. Allen gehe es nur um die Machterhaltung, und sie verhärteten ihre eigenen Positionen. Eigentlich ginge es jetzt darum, an einem Strang zu ziehen, um den Friedensprozess in eine demokratische Struktur zu führen.
Der Friedensprozess in Nepal, der 2006 seinen Anfang nahm (siehe SWM 1-2/07), geriet im vergangenen Oktober ins Stocken. Zuerst verließen die Maoisten das Bündnis der acht Parteien, das die Aufgabe hatte, Nepal auf den Weg zu demokratischen Wahlen zu bringen und im Anschluss eine neue Verfassung auszuarbeiten. Kurz nach dem Austritt der Maos wurden die Wahlen, die für Ende November angesetzt waren, auf unbestimmte Zeit verschoben. Umgerechnet sechs Millionen Euro an Kosten für die Wahlvorbereitungen versickerten im Sand.
Die Maos verlangen die Ausrufung der Republik und die Abschaffung der Monarchie noch vor den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung. Eine weitere Hauptforderung der Maoisten ist die Einführung eines vollständig proportionalen Verhältniswahlrechts, da sie sich mit dem geltenden Wahlrecht im Nachteil sehen.
Ihre Forderungen und ihr Austritt gelten in weiten Teilen Nepals als ein geplantes politisches Kalkül. Die Meinungsumfragen im Vorfeld deuteten auf einen enttäuschenden Anteil der Wählerstimmen hin. Man kann die Schritte der Maoisten auch als Wahlkampftaktik bezeichnen. Sie bringen ihre Anhängerschaft wieder in Massen auf die Straße und zeigen gegenüber den anderen Parteien Stärke.
Durch die Machtkämpfe der Parteien sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und eine politische Lösung des Konflikts weiter. Anfang September explodierten gleichzeitig drei Bomben in der Hauptstadt Kathmandu, wobei zwei Menschen starben – seit dem Waffenstillstandsabkommen im November 2006 die erste Bombenanschlagsserie in Nepal. Rebellen der Terai-Region bekannten sich zu den Anschlägen. Ihren Aktionen wird zur Zeit beträchtliches Medieninteresse zuteil. Terai ist eine marginalisierte Region im Süden des Landes an der Grenze zu Indien, die in der Übergangsregierung nicht zum Zug kommt. Die Aufständischen sind unter sich ebenso verfeindet wie mit ihren politischen Gegnern; ihre Forderungen reichen von mehr politischer Aufmerksamkeit bis zu separatistischen Ansprüchen. Auf Grund von Straßenblockaden der Terai-Rebellen und der Regierung stiegen in den letzten Monaten die Preise für Lebensmittel in der Hauptstadt, was zu einer weiteren Destabilisierung des Demokratisierungsprozesses führt.
Es herrscht ein widersprüchliches politisches Klima. Ankündigungen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen den Maos und den sieben Parteien werden von gegenseitigen Vorwürfen und Anschuldigungen abgelöst. Die Maos werfen der Armee Pläne zum Putsch und den politischen Kollegen Unfähigkeit vor. Auf der anderen Seite wird an der Ernsthaftigkeit und Motivation der Maos gezweifelt, einen demokratischen Prozess einzuleiten. Ihre Forderungen wurden in einer Sitzung der Übergangsregierung abgelehnt. Beide Seiten wollen sich auf keine Kompromisse einlassen. Ein Tauziehen, das die politischen Erfolge des vergangenen Jahres gefährden könnte. Dennoch fordern alle Parteien, die Wahlen noch dieses Jahr – das nepalesische Jahr geht bis April 2008 – abzuhalten.
Der nächste Schritt müsste nun die Fixierung und die Einhaltung eines Wahltermins sein. Die Bevölkerung hat die Pattsituation satt. „Schon zweimal wurde der Wahlkampf mit unseren Steuergeldern finanziert. Jetzt wollen wir auch unsere politischen Rechte ausüben“, fordert Laxmi, eine führende Mitarbeiterin einer Fairhandelsorganisation in Kathmandu. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Parteien nicht in politischen Machtkämpfen verschleißen, sondern den Himalayastaat auf Demokratiekurs bringen.
Melanie Berner und Thomas Berger arbeiten an ihren Doktorarbeiten in Soziologie in Graz und verbrachten kürzlich drei bzw. einen Monat in Nepal.