Christian Baumgartner von respect, Zentrum für Tourismus und Entwicklung in Wien, sieht positive Entwicklungen im Sinne eines nachhaltigen Tourismus. Mit ihm sprach SÜDWIND-Mitarbeiterin Brigitte Pilz.
SÜDWIND: Was ist für Sie nachhaltiger Tourismus?
Baumgartner: Von den Zielgebieten her betrachtet ist Tourismus dann nachhaltig, wenn die dort lebenden Menschen volle Bestimmung darüber haben, ob sie ihn überhaupt wollen und in welcher Form. Er muss ökologisch verträglich sein, kulturell und gesellschaftlich vorsichtig gestaltet. Schlussendlich müssen die betroffenen Menschen auch von ihm leben können.
Stehen sich diese Elemente in der Realisierung nicht immer wieder im Wege? Wie kann man diesen Widerspruch überwinden?
Ich sehe ihn dann nicht, wenn wir in kleinen Einheiten denken. Wenn das, was im Tourismus an Geld fließt, auch der betroffenen Bevölkerung zugute kommt, indem kleine Hoteleinheiten gebaut werden, lokale Anbieter zum Zug kommen, dann ist zum Beispiel die ökologische Belastung durch die touristische Infrastruktur nicht so gravierend.
Muss ein so definierter nachhaltiger Tourismus nicht immer Nischenprodukt bleiben? Der Massentourismus geschieht ja globalisiert über große Konzerne der Reise- und Hotelbranche.
Nachhaltiger Tourismus ist eine Zielvorstellung, die man anstrebt. Ich kann dieses Produkt nicht eins zu eins umsetzen. Ich denke, es gibt einfach Angebote, die diesem Ziel näher kommen oder noch weiter entfernt sind. Auch Reiseveranstalter, die die Massen bedienen, können Schritte in Richtung Nachhaltigkeit gehen.
Was wären das für Schritte?
Der große Reiseveranstalter mit seinen Hotels kann etwa Arbeitskräfte aus der Region anstellen. Er kann auf seiner Speisekarte lokale Produkte anbieten und in der Küche verwenden. Er kann die ökologischen Belastungen beim Energie- und Wasserverbrauch reduzieren. Ein großes Hotel hat zum Beispiel im Bereich Wasser und Energie ein Sparpotential von etwa _ 40.000,- pro Jahr. Im sozialen Bereich sehe ich die Umsetzung von Kriterien für Nachhaltigkeit erst in Diskussion. Doch auch hier kommen Veranstalter langsam drauf, dass ihnen soziale Maßnahmen auch ökonomisch etwas bringen, wenn es etwa keine große Fluktuation bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt.
Kann die Energiebilanz von Fernreisen jemals positiv ausgehen, wenn man an die Belastungen durch Flugreisen denkt?
Nachhaltigkeit heißt ja auch, auf die Balance zwischen Ökonomie, Ökologie, Sozialem und Kulturellem zu achten. Was wäre also die Alternative zur Flugreise? Nicht hinzureisen bringt den Destinationen ökonomisch nichts. Sinnvoll wäre sicher, seltener zu reisen und dann länger an einem Ort zu bleiben, dafür stehen wir heute ein.
Wer treibt Nachhaltigkeit im Tourismus voran? Sind hauptsächlich NGOs die Vorreiter? Ist sie großen Organisationen wie der Welttourismusorganisation (WTO) ein Anliegen?
Der Ansatz ist in den Papieren überall drin. Aber es gibt nun auch seit einem Jahr eine Richtlinie im Rahmen der Biodiversitätskonvention von Rio 92 zum Management von nachhaltigem Tourismus in sensiblen Gebieten. Diese Richtlinien wurden auch in Johannesburg positiv behandelt. Das sind sicher Erfolge des Lobbyings von NGOs im Norden und im Süden. Bei großen Konferenzen kann es sich niemand mehr leisten, nicht auch von der Nachhaltigkeit im Tourismus zu sprechen. Immerhin.
Dann zeigen sich natürlich viele konkrete Ansätze auf Dorf- und regionaler Ebene.
Andererseits gibt es globale Entwicklungen, die genau diese Selbstbestimmung untergraben.
Ja, das wäre der Fall, wenn es zum Abschluss des GATS 1) in der geplanten Form kommt. Tourismus fällt unter Dienstleistungen. GATS hätte unter dem Motto Freihandel eine völlige Freigabe touristischer Infrastruktur zur Folge. Ein Entwicklungsland könnte sich dann nicht mehr wehren, wenn ein großer Veranstalter käme, um dort ins Geschäft einzusteigen. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Passagen von GATS zum Tourismus noch geändert werden.
1) GATS ist das Allgemeine Abkommen über Dienstleistungen innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO), wurde bereits bei der Gründung der WTO unterzeichnet und ist ratifiziert. Es enthält eine Klausel, die besagt, dass sich die Länder an weiteren Verhandlungsrunden beteiligen werden, die stets
eine noch stärkere Liberalisierung zum Ziel haben.