Die Vereinigten Staaten sind die Führungsmacht in der internationalen Drogenpolitik. Ist die Reformdebatte in Washington angekommen? Robert Lessmann sprach für das Südwind-Magazin mit der internationalen Drogen-Expertin Coletta Youngers am Rande der 56. UN Commission on Narcotic Drugs im März in der Wiener UNO-City.
Südwind-Magazin: Die Zeichen stehen auf Reform: Sehen wir ein Ende des „War on Drugs“?
Coletta Youngers: Auf der politischen Ebene kommen die lautesten Stimmen aus Lateinamerika, wo es eine tiefe Frustration von Regierungen gibt, die jahrzehntelang Politiken vollzogen haben, die nicht nur nicht die gewünschten Ergebnisse brachten, sondern die auch noch ernste negative Folgen für die Länder der Region hatten. Es ist sicher zu früh, von einem Ende des Drogenkriegs zu sprechen. Aber die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern.
Ist ein konkreter Wandel der US-Politik erkennbar?
Gil Kerlikowske, Präsident Obamas neuer Drogenzar, sagte gleich nach seinem Amtsantritt, dass man nicht länger vom Drogenkrieg sprechen wolle, weil man keinen Krieg gegen die eigenen Leute führen könne. Die Rhetorik hat sich gewandelt und die Einsicht hat zugenommen, dass die USA als weltgrößter Konsument illegaler Drogen mehr tun müssen, um die Nachfrage zu bekämpfen. Wenn wir die auswärtige US-Drogenpolitik betrachten, so läuft sie in Lateinamerika auf Autopilot. Trotz des Wandels der Rhetorik gibt es dort an der Basis keine deutliche Veränderung. Wohingegen die Obama-Regierung in Afghanistan schon frühzeitig einen anderen Weg einschlug. Man sagte, dass die Eradikationsprogramme nicht die gewünschten Resultate bei der Verminderung von Schlafmohn gebracht hätten und sogar kontraproduktiv gewesen seien, indem sie den Taliban Unterstützung brachten. Die USA haben ihre Mitwirkung daran in Afghanistan eingestellt. Anders in Lateinamerika: Dort gehen, zum Beispiel in Kolumbien, die Eradikationsprogramme durch Besprühung aus der Luft weiter. Aber es gibt einen Umdenkprozess in verschiedenen US-Apparaten, vor allem beim Militär.
Wird denn diese unterschiedliche – um nicht zu sagen widersprüchliche – Herangehensweise innerhalb der Regierung diskutiert und wie wird die internationale Reformdebatte wahrgenommen?
Man sagt, dass lateinamerikanische Länder stärkere Institutionen haben und man daher andere Politikoptionen brauche. Ich halte das für ein schwaches Argument, aber es war die offizielle Antwort. Alles in allem gibt es in Washington darüber kaum Debatten. Es gibt sie vielleicht innerhalb der Institutionen, aber nicht öffentlich. Die Wahrnehmung der Reformdiskussion ist geringer, als sie sein sollte. Es gibt sehr wenig Presseberichterstattung darüber. Bewegung gibt es unten: Wir haben eine heftige Debatte über die Frage des Umgangs mit Cannabis in einigen Bundesstaaten.
Könnte eine interne Reformdebatte in den USA nicht Ausgangspunkt für einen Wandel auch der auswärtigen Drogenpolitik sein?
Ja. Wir sehen in den Vereinigten Staaten eine deutliche Veränderung in der öffentlichen Meinung. Umfragen zeigen ziemlich konstant, dass inzwischen mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine gewisse Flexibilisierung der Cannabis-Gesetzgebung unterstützt. Es gibt nun 18 Staaten plus den District of Columbia, die gesetzliche Regelungen für die medizinische Anwendung von Marihuana haben. Dreizehn weitere haben den Besitz von Marihuana für den persönlichen Konsum entkriminalisiert, das heißt, er wird als Verwaltungsvergehen behandelt und mit einer Geldstrafe belegt. In Washington und Colorado hat eine Mehrheit in Referenden für die Schaffung eines gesetzlich geregelten, legalen Cannabis-Marktes gestimmt. Die Zahl der Befürworter lag dabei jeweils gut zehn Prozent über jener der Gegner.
Und wie reagiert die Regierung Obama?
Sehr vorsichtig. Man sagt, dass man die Gesetzgebung studieren wird, dass man sehen will, wie sie implementiert wird. Ich glaube, darin zeigt sich eine gewisse Bereitschaft, die Staaten mit diesen Vorschlägen voranschreiten zu lassen. Klar ist jedoch, dass die Regierung in gewisser Weise mit dem Rücken zur Wand steht. Denn wir bekommen zunehmend Widersprüche zwischen Bundesgesetzgebung und jener der Staaten, und es ist die Pflicht der Bundesregierung, dem Bundesgesetz für kontrollierte Substanzen Geltung zu verschaffen. Ich glaube, dass die Obama-Regierung das vermeiden will. Weder Reformen zu bekämpfen, noch welche auf Bundesebene herbeizuführen, ist eine Priorität für sie.
Coletta Youngers ist Vertreterin des International Drug Policy Consortium (IDPC) und Senior Fellow des Washington Office on Latin America (WOLA).
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