Die Hoffnung auf eine „Rettung“ der westafrikanischen Baumwollproduktion durch eine Marktliberalisierung à la WTO war bisher vergeblich – und wird es wohl auch bleiben.
Es war im Mai 2003, als vier westafrikanische Baumwollexportländer, Mali, Tschad, Benin und Burkina Faso eine Forderung erhoben, deren Umsetzung seither als Schlüssel für einen Erfolg der Doha-Runde der WTO gilt: ein Übereinkommen zum schrittweisen Abbau aller Subventionen im weltweiten Baumwollsektor, ergänzt durch finanzielle Kompensation für die Übergangszeit für die ärmsten geschädigten Länder (LDCs). Ihren Anspruch unterstrichen sie mit der großen Bedeutung der Baumwolle für ihre Exporteinnahmen (20 bis 40%) und das Überleben der armen ländlichen Bevölkerung.
Was sie forderten, war für alle, die eine Liberalisierung des Landwirtschaftshandels als effektive Entwicklungspolitik betrachten, ungemein attraktiv: Ein Exportsektor war gefunden, in dem die Ärmsten aufgrund ihrer geringen Arbeitskosten auch die Wettbewerbsfähigsten waren (zumindest damals), jedoch durch Subventionen der reichen Länder, insbesondere der USA geschädigt wurden. Auf Basis unterschiedlicher Marktmodelle wurde abgeschätzt, wie stark die US-Subventionen den Weltmarktpreis von Baumwolle senken. Die Bandbreite der Ergebnisse reichte von 2% bis 30% oder mehr – was viel über die Zunft der ÖkonomInnen aussagt, aber wenig über die Wirklichkeit. Warum nicht China aufs Korn nehmen, das seine eigene Produktion subventioniert und noch dazu mit Einfuhrzöllen schützt? Und auch die EU-Baumwollsubventionen könnten, wie das britische Overseas Development Institute (ODI) anmerkte, für Westafrika aufgrund der spezifischen Konkurrenzsituation weit schädlicher sein als ihr relativ geringer Umfang vermuten ließe.
Die Doha-Runde liegt seit dem Vorjahr auf Eis, und abgesehen von der Gründung eines eigenen WTO-Unterausschusses zum Baumwollsektor wurde kaum mehr als heiße Luft produziert. Der einzige Lichtblick ist der Erfolg der WTO-Beschwerde Brasiliens vom September 2002, die eine Eliminierung eines Teils der US-Subventionen zur Folge haben sollte. Allerdings hält Brasilien die bisherigen Maßnahmen Washingtons für unzureichend – und so wurde der Streit zum ursprünglichen WTO-Panel zurück verwiesen, ein Bericht wird für Juli 2007 erwartet.
Was auch immer in dieser Hinsicht geschieht, für Westafrika wird es zu spät sein. Obwohl der Baumwollpreis heute um 20-30% über seinem Niveau von 2002 liegt, ist der westafrikanische Baumwollsektor tief in die roten Zahlen gerutscht. Vor allem durch die Aufwertung der regionalen Währung, des an den Euro gebundenen CFA-Franc, gegenüber dem US-Dollar liegt der Preis der lokalen Baumwolle im Importhafen, derzeit um 30% über dem Weltmarktpreis – und das, obwohl die BäuerInnen kaum mehr als die Selbstkosten erhalten, sofern überhaupt.
Umgekehrt ist US-Baumwolle heute weit wettbewerbsfähiger: Auf Basis steigender Hektarerträge sanken die Produktionskosten pro Kilo um bis zu 40%. Rechnet man die Euro-Aufwertung von 44% seit 2002 hinzu, wurden die US-Kostennachteile gegenüber Westafrika drastisch reduziert. Und welchen Einfluss die US-Subventionen auch immer haben mögen, sie konnten nicht verhindern, dass die Produktion im Rest der Welt seit 2002 massiv zunahm: in China (+37%), Brasilien (+62%) und insbesondere Indien (+100%), das zuletzt wieder zu einem bedeutenden Baumwollexporteur (12% Anteil 2006) wurde, und das fast ohne Subventionen.
Die elegante Idee, die Armen bloß auf Kosten der Reichen zu „retten“, wird nicht funktionieren. Wer im Baumwollsektor konkurriert, das sind vor allem die Armen selbst: BäuerInnen in Mali mit Ihresgleichen im benachbarten Burkina Faso, in Xinjiang in China, im indischen Andhra Pradesh, und die wiederum mit ihren Landsleuten in Tamil Nadu und im Punjab. Eine Abwertung des CFA-Franc, wie sie bereits gefordert wird, würde das Problem buchstäblich exportieren – Ähnliches gilt für die Absicht Burkina Fasos, die Erträge mit Bt-Baumwolle zu steigern. Für Produzenten, die nicht auf andere Produkte wechseln können, wie das etwa in großen Teilen von Mali oder Maharashtra (siehe Artikel S. 30) der Fall ist, kann eine „Marktbereinigung“ tödlich sein. Bis intelligentere Lösungen gefunden sind, werden wohl öffentliche Gelder fließen müssen – im Fall Westfrikas die der reichen Länder.