Seit Monaten herrschen in Burundi Chaos und Gewalt. Präsident Nkurunziza zog Ende Juli die Wahlen dennoch durch. Warum das Land am Rand eines erneuten Bürgerkriegs steht, hat Simone Schlindwein recherchiert.
Burundis Präsident Pierre Nkurunziza wirkt einsam auf der Bühne. Seine Augen versteckt er hinter einer Sonnenbrille. Mit der rechten Hand winkt er den paar tausend Anhängern zu, die sich bei der Wahlkampfveranstaltung auf dem Fußballplatz in Kabarore versammelt haben. In der linken hält er einen Hirtenstab, an dem drei Luftballons baumeln.
Der 52-Jährige gibt sich als Mann des Volkes: Er trägt Jeans und T-Shirt. In seiner Rede verspricht er, es soll alles so bleiben, wie es war: freie Grundschulbildung, kostenlose Gesundheitsversorgung für Schwangere. Die Frauen im Publikum klatschen. Fünf Mal wiederholt er sein Versprechen von Friede. Auch das ist in Burundi viel wert, vor allem in dem kleinen Örtchen Kabarore im Norden, wo es Tage zuvor einen Angriff unbekannter Rebellen gegeben hatte.
Noch vor fünf Jahren, bei den Präsidentschaftswahlen 2010, war Nkurunziza umringt von seinen Gefährten aus der Zeit, als die heutige Regierungspartei CNDD-FDD eine Rebellengruppe war: Generäle wie Ex-Geheimdienstchef Adolph Nshiririmana und Ex-Polizeichef Alain Guillaume Bunyoni feierten und tanzten mit ihm. Heute tritt er lieber ohne seine Waffenbrüder auf: Auch gegen sie richteten sich die wochenlangen Massenproteste, die Mitte Mai in einem Putschversuch durch Teile des Militärs gipfelten. Die Anführer der Protestbewegung werfen Nkurunziza und dessen Clique vor, das Land wie ein Mafiaclan auszuplündern. Die Korruption manifestiert sich in Bujumbura: In der Hauptstadt eines der ärmsten Länder der Welt reihen sich Luxusvillen mit Pools aneinander. Das Land ist Umschlagplatz für den Handel mit Waffen, Gold und Drogen.
Seit der Putschnacht haben sich die loyalen Generäle in einer Bar am Stadtrand zusammengerottet: „Iwabo wa Bantu“, übersetzt: „Inmitten des Volkes“, heißt sie. Am Eingang prangt ein schwarzer Adler, das Wahrzeichen der CNDD-FDD und ihrer Jugendorganisation „Imbonerakure“, übersetzt: „die Weitsichtigen“. Draußen stehen Soldaten der Präsidialgarde, mit Raketenwerfern im Anschlag. Besitzer der Bar war der berüchtigte General Adolph, der Anfang August einem Raketenanschlag zum Opfer fiel. Hier gab er im Mai die Befehle, die Proteste gewaltsam niederzuschlagen. Von hier aus dirigierte er die Imbonerakure, die er laut Zivilgesellschaft mit Waffen und Polizeiuniformen ausstatten hatte lassen. Sie machen jetzt Jagd auf DemonstrantInnen und Oppositionelle – diese wiederum formen in ihren Vierteln Bürgerwehren.
Burundi
Fläche: 27.834 km2
EinwohnerInnen (2013): 10,16 Mio.
Amtssprachen: Kirundi, Französisch
BIP pro Kopf (2013): 303 US-Dollar
Wichtigste Exportgüter: Kaffee, Mineralien.
Das ostafrikanische Binnenland zählt zu den ärmsten der Welt. Zwischen 1993 und 2006 war Burundi Schauplatz eines blutigen Bürgerkriegs mit über 300.000 Toten. Seit den Präsidentschaftswahlen 2010 nimmt die Gewalt wieder zu.
Blockaden und Selbstverteidigung. Wie Schatten huschen die jungen Männer in den stockdunklen Gassen umher. Sie errichten eine Straßenblockade aus Steinen, Baumstämmen, Sandsäcken und Stacheldraht. Messerklingen blitzen auf. Die Stimmung ist aufgeheizt.
In den Vierteln von Bujumbura geht es mittlerweile zu wie im Bürgerkrieg. In Musaga hallen jede Nacht Schüsse durch die Gassen, Einschläge von Granaten sind zu hören. Immer wieder versuchen Polizisten nach Musaga einzudringen, das Viertel wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Barrieren halten sie davon ab. „Wir verteidigen uns“ erklärt einer der Männer und berichtet von den nächtlichen Verhaftungen: Die Polizisten kamen in Hundertschaften mit Geländewagen, gingen von Haus zu Haus, zerrten die Männer in die Fahrzeuge. „Wir haben viele unserer Nachbarn seitdem nie wieder gesehen“, berichtet er. Die Jungen um ihn herum nicken. Die meisten haben sich seit Mai nicht mehr aus Musaga hinausgetraut, aus Angst verhaftet zu werden. Sie sitzen fest. Unter ihnen sind Hutu und Tutsi, gleichermaßen. „Dieser Konflikt hat mit Ethnien nichts zu tun, es geht darum, wer für und wer gegen das Regime ist“, sagen sie.
Alltäglicher Terror. Wer ihnen im matten Licht der Taschenlampen in die Augen blickt, kann den Stress erkennen, unter dem sie stehen: Schlafentzug, Alarmbereitschaft und Todesangst haben ihre Spuren hinterlassen. Wer den Psychoterror nicht weiter aushält und das nötige Geld hat, flieht: Über 150.000 BurunderInnen suchen in den Nachbarländern Schutz. Oppositionelle, MenschenrechtsaktivistInnen und regierungskritische JournalistInnen sind geflohen.
Irgendwo zwischen diesen Fronten bewegt sich auch das Militär: Das stundenlange Feuergefecht, das in der Nacht vor den Wahlen am 21. Juli in Musaga zu hören war, hat sich laut diplomatischen Kreisen zwischen Militär und Polizei zugetragen. Die Soldaten in der Kaserne am Eingang des Viertels wollten verhindern, dass Polizisten eindringen: Staatszerfall pur.
Die fahnenflüchtigen Armeekommandanten, die den Putsch versucht hatten, drohten kurz vor den Wahlen mit einer bewaffneten Rebellion. Sie formieren sich entlang der Grenze zu Ruanda. Um einen möglichen Bürgerkrieg abzuwehren, der die ganze Region destabilisieren könnte, ernannte die Ostafrikanische Union Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni zum Vermittler. Der 70-Jährige ist seit 30 Jahren an der Macht und gilt als Großvater der Region. Mit hunderten von Leibwächtern wurde er im Auto nach Bujumbura gefahren, um die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Am dritten Tag der Gespräche tauchte jedoch die Delegation der burundischen Regierung nicht mehr auf, ging auch nicht ans Telefon. Die Verhandlungen wurden ausgesetzt.
Leere Wahllokale. In all diesem Chaos hatten die meisten Oppositionskandidaten ihre Kandidatur zurückgezogen. Doch zu spät: Die Stimmzettel waren schon gedruckt und landesweit verteilt. Am Wahltag herrschte Unklarheit, welcher der Kandidaten überhaupt noch antritt.
Nach all dem vorangegangenen nächtlichen Terror trauten sich ohnehin nur wenige HauptstädterInnen in die Wahllokale. Die meisten waren Soldaten und Polizisten mit ihren Frauen. Vor allem in den Oppositionsvierteln blieben die Wahllokale leer. Im regierungstreuen Viertel Kamenge, von wo viele CNDD-FDD-Mitglieder stammen, sorgten die Imbonerakure dafür, dass die EinwohnerInnen brav ihre Stimme für den Präsidenten abgaben. Sie lungerten in den Wahllokalen herum, bespitzelten, wer wählen ging und wer nicht.
So gewann Nkurunziza die Wahl mit 69 Prozent, der Oppositionsführer und ehemalige Rebellenchef Agathon Rwasa erlangte den zweiten Platz. Er hatte als einer der wenigen Oppositionellen nicht zum Boykott aufgerufen. Rwasa ist ein Stratege, der den Posten des Vizepräsidenten anstrebt. Noch bevor die Stimmen ausgezählt waren, forderte er Nkurunziza auf, sich auf eine Regierung der nationalen Einheit einzulassen.
Die Internationale Gemeinschaft, allen voran die wichtigsten Geldgeber, die USA, die Europäische Union sowie Belgien, kritisierten die Wahl, stuften sie als illegitim ein und strichen die Hilfsgelder. Auch die Zivilgesellschaft erklärte, Nkurunziza, der am 20.August vereidigt wurde, nicht als Präsident anzuerkennen. Das kleine Land im Herzen Afrikas steckt in einer Sackgasse.
Simone Schlindwein lebt als Journalistin in Uganda. Im Juli verbrachte sie mehrere Wochen in Burundi.
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