Kultur auf den Zahn gefühlt

Von Redaktion · · 2007/10

Der geforderte partnerschaftliche Umgang in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ist nicht zuletzt eine große interkulturelle Herausforderung. Trotzdem ist interkulturelle Kompetenz in der EZA bisher nur ein Randthema, meint Margret Steixner.

Der interkulturelle Dialog stellt eine Herausforderung dar, die nicht aus der Dynamik der Globalisierung weggedacht werden kann. Interkulturelle Kompetenz ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Diese wird jedoch allzu oft als ein Katalog einfacher Handlungsanleitungen missverstanden. In Wirklichkeit geht es jedoch darum, eine generelle Haltung des Respekts gegenüber kultureller Differenz aufzubauen und somit die Etablierung einer Gesellschaft zu fördern, die kulturelle Vielfalt würdigen und nutzen kann, anstatt in der Angst vor dem Fremden zu stagnieren. Wie schwierig diese Ansätze in der Praxis umzusetzen sind, zeigt nicht zuletzt die politische Polarisierung in „Ausländerfragen“. Dass Entwicklungszusammenarbeit in einem komplexen Zusammenhang mit Migration steht, darf bei der Auseinandersetzung nicht vergessen werden. Eine nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände in den ärmsten Regionen der Welt steigert auch individuelle Entwicklungschancen und mindert somit den Migrationsdruck.
Die Diskussion über interkulturelle Kompetenz beschränkt sich derzeit zumeist auf den Kontext der Personalentsendung. Durch Programme der Auslandsvorbereitung verspricht man sich eine Sensibilisierung für kulturell geprägtes Verhalten. Die Vermittlung von Wissen über kulturelle Besonderheiten soll die Entwicklung angepasster Handlungsstrategien ermöglichen und eine fruchtbare Kooperation sicherstellen. In der Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft kann es passieren, dass die Konfrontation mit fremden Arbeitsstilen oder Verhandlungsweisen zu einer unbewussten Verhärtung eigener Strategien führt.

Die kulturelle Identität ist tief in unserem Selbst verankert und bildet die Grundlage unserer Urteilsfähigkeit. In der interkulturellen Zusammenarbeit kommt es daher zu Situationen, in denen die Verhandlungsparteien mit unterschiedlichen Denkkonzepten an die Arbeit gehen – jede von der Richtigkeit eigener Ideen überzeugt. Differenzen zeigen sich häufig im Bereich der Führungs- und Arbeitsstile. Konkret geht es dabei oft um Fragen der Transparenz oder Hierarchie. Diese Themen können aufgrund kulturell geprägter Überzeugungen zu explosivem Stoff werden, der Verunsicherung und Frustrationen provoziert und die Zusammenarbeit erschwert.
Fachkräfte müssen im Ausland nicht nur kulturspezifisches Wissen sinnvoll einsetzen und kulturelle Werte und Organisationsstrukturen in einen logischen Zusammenhang bringen, sondern auch eigene Schlussfolgerungen hinterfragen, die durch kulturelle Urteilsmechanismen geprägt sind. Dieser Prozess bedarf einer umfassenden Kompetenz, die soziale und persönliche Aspekte genauso beinhaltet wie fachliche. Durch Begleitmaßnahmen wie Coaching oder Supervision könnte nicht nur die Wirksamkeit interkultureller Trainings beachtlich gesteigert, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Personals erhöht werden.

Die Paradigmen der EZA haben sich über die Jahrzehnte der Zusammenarbeit stark verändert. Neue Strategien wurden erprobt, alte aussortiert. Gründe dafür liegen vor allem in der Besorgnis über die ungenügende Wirksamkeit der Entwicklungsinterventionen. Der Entwicklungsgedanke allein muss dabei bereits als zutiefst interkulturelles Thema angesehen werden und bietet wichtige Einblicke in die Grenzen gemeinsamer Absichten. Die neuen Prinzipien der Zusammenarbeit sind in der Pariser Erklärung zur EZA-Wirksamkeit festgehalten. Harmonisierung der Geberleistungen ist dabei oberstes Ziel. Die Partnerländer sollen Armutsreduzierungsprogramme konzipieren und verstärkt die Richtung von Entwicklung vorgeben. Durch die Kooperation auf einer höheren Operationsebene entstehen für das Personal der EZA der Geberländer neue Herausforderungen. Dies betrifft nicht nur die länderübergreifende Koordination der Geberleistungen, sondern auch die Zusammenarbeit mit den Partnerländern. Die in der Pariser Erklärung geforderte Eigenverantwortung basiert auf einem reifen und partnerschaftlichen Umgang – eine riesige interkulturelle Herausforderung mit Blick auf die Reflexion gewohnter ethnozentrischer Übergriffe derjenigen, die über den Fluss der Gelder entscheiden.
Spätestens hier wird klar, dass das Berufsprofil weit über die althergebrachten Vorstellungen des Entwicklungshelfers hinausgeht. Interkulturelle Kompetenz muss dabei als erweiterte Sozial-, Verhandlungs- und Kommunikationskompetenz verstanden werden. Während in der Wirtschaft interkulturelles Training bereits seit Jahrzehnten zum Standard gehört, ist interkulturelle Kompetenz in der EZA nur ein Randthema. Dass Erfolg nicht nur auf reiner Fachkompetenz basiert und interkulturelle Komponenten maßgeblich zur erfolgreichen Umsetzung der Ziele beitragen, muss stärker in den Köpfen der EntscheidungsträgerInnen verankert werden. Maßnahmen der Personalentwicklung sind dabei ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung. Interkulturelle Kompetenz darf auch nicht nur als Fähigkeit von Individuen angesehen werden, sondern muss sich in der grundlegenden Philosophie der Zusammenarbeit widerspiegeln.

Margret Steixner arbeitet im Bereich interkulturelles Coaching und Training. Sie lebt mit ihrer Familie in Uganda. Ihre Dissertation „Lernraum Interkultur. Von interkultureller Erfahrung zu interkultureller Kompetenz“ wurde im Rahmen des ÖFSE-Forums veröffentlicht und wird am 16.Oktober 2007 um 15.30 Uhr im Lesesaal der ÖFSE, Berggasse 7, 1090 Wien präsentiert.

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