Es war eine Umweltkatastrophe gigantischen Ausmaßes. Monatelang bedeckten riesige Rauchwolken große Teile Südostasiens, was Einbußen von über 4,5 Mrd. US-Dollar im Tourismus und in anderen Wirtschaftzweigen mit sich brachte: In Zentralkalimantan im Süden der Insel Borneo standen Millionen Hektar ausgetrockneter Torfböden und Regenwälder in Flammen. Fast drei Monate lang betrug die Sicht in Palangkaraya, der Hauptstadt dieser indonesischen Region, keine zehn Meter. Tausende Menschen suchten wegen Atemproblemen Krankenhäuser auf, der Flughafen blieb geschlossen und auf den Flüssen, den Lebensadern der regionalen Wirtschaft, kollidierten die Boote.
Was in den Jahren 1997 und 1998 geschah, eine Folge der bisher stärksten Episode des Wetterphänomens „El Niño“, war für bis zu 40% des weltweiten Jahresausstoßes an Kohlendioxid verantwortlich und verwüstete eine Fläche von 11,7 Mio. Hektar. Ähnliches hat sich seither jeweils während der Trockenzeit von Juli bis Oktober wiederholt, wenn auch in kleinerem Maßstab. Jahr für Jahr, so eine von den niederländischen Organisationen Wetlands International und Delft Hydraulics Ende 2006 veröffentlichte Studie, werden durch diese Torf- und Waldbrände etwa 1.400 Mio. Tonnen CO2 freigesetzt – das Fünffache jener Menge, um welche die Industriestaaten laut Kioto-Protokoll bis 2012 ihre Emissionen im Vergleich zu jenen von 1990 senken sollen. Hauptursache ist neben dem Kahlschlag des Regenwalds für den Holzexport inzwischen die massive Ausweitung der Ölpalmplantagen, auf denen laut Satellitenbeobachtungen im Jahr 2002 drei Viertel aller Feuer wüteten. Indonesien hat sich dadurch hinter den USA und China zum Land mit dem weltweit drittgrößten CO2-Ausstoß „entwickelt“.
Die 60% der tropischen Torfböden, die auf Indonesien entfallen, enthalten etwa 50 Mrd. Tonnen Kohlenstoff. Werden diese zunächst sumpfigen Böden trockengelegt, beginnen Bakterien den meterdicken trockenen Torf zu oxidieren, wobei der gespeicherte Kohlenstoff nach und nach frei wird. Die betroffenen Flächen verwandeln sich von einer Kohlenstoffsenke in eine Quelle massiver Emissionen; Feuer beschleunigt diesen Prozess.
Nach Angaben von Wetlands International sind bereits fast die Hälfte der indonesischen Torfböden entwaldet. Ein Viertel der 6,5 Mio. Hektar Ölpalmplantagen des Landes liegt auf Torfböden. Die indonesische Regierung hat kürzlich grünes Licht für weitere 6,5 Mio. Hektar Plantagen gegeben, die zur Hälfte durch das Trockenlegen und Abbrennen von Torfgebieten gewonnen werden sollen.
Eine Tonne Biodiesel aus Palmöl, das auf solchen Flächen gewonnen wird, wäre mit der Emission von 10 bis 30 Tonnen Kohlendioxid verknüpft – bis zum Zehnfachen dessen, was bei der Verbrennung einer Tonne Diesel aus Erdöl frei wird. Insgesamt gehen in Indonesien pro Jahr etwa 2,4 Mio. Hektar Regenwald verloren. In Malaysia, dem zweiten großen Palmölproduzenten, war die Expansion der Ölpalmplantagen zwischen 1985 und 2000 für 87% der Urwaldzerstörung verantwortlich. Marcel Silvius, Klimaexperte bei Wetlands International, sieht in diesen Daten „eines der größten Umweltdesaster unserer Zeit“ und zieht, was die Erzeugung von Palmöl für den Einsatz als Biotreibstoff betrifft, den nüchternen Schluss: „ein Fehlschlag“.
Traditionell wurde Palmöl zu 80% in der Nahrungsmittelproduktion (z.B. Margarine, Backwaren, Süßigkeiten) eingesetzt, findet aber auch Verwendung in der Erzeugung kosmetischer, pharmazeutischer und anderer industrieller Produkte. Doch die im Norden beschlossene Beimengung von Bioethanol und Biodiesel zu konventionellen Treibstoffen hat auch die weltweite Nachfrage nach Palmöl enorm gesteigert: Der Preis stieg allein im Vorjahr um 35%. Dennoch ist Palmöl, das mit etwa 4,5 Tonnen pro Hektar den vierfachen Ertrag von Raps liefert, mit rund 600 Dollar pro Tonne (Anfang April) relativ preisgünstig.
Malaysia und Indonesien produzieren gemeinsam etwa 85% des Palmöls und stellen 91% der Weltexporte. Beide haben auf den Biodiesel-Boom mit enormen Investitionsvorhaben reagiert. Dabei liegt Malaysia mit 75 zum Teil schon umgesetzten Projekten voran, doch ist seine Expansion durch sein geringeres Potenzial an Land und Arbeitskräften begrenzt. Indonesien gelang es im Jänner, Zusagen internationaler Investoren über 12,4 Mrd. US-Dollar für 58 Vorhaben an Land zu ziehen; bis 2020 soll die mit Ölpalmen bepflanzte Fläche verdreifacht werden. Beide Länder einigten sich kürzlich darauf, jeweils sechs Mio. Tonnen, 40% ihrer derzeitigen Jahresproduktion an Palmöl, für die Erzeugung von Biodiesel zu reservieren.
Laut Al Hilal Hamdi, Chef der indonesischen Behörde für die Entwicklung von Biotreibstoffen, die bis 2010 drei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen will, sorgt das Biodieselprogramm „für Jobs, Wachstum und die Reduzierung der Armut“. Tatsächlich aber bedroht die Ausweitung der Plantagen, die bevorzugt in intakten Regenwäldern angelegt werden, weil der Holzverkauf zusätzliche Profite verspricht, die Lebensgrundlagen von 100 Millionen Menschen, 40 Millionen davon Indigene. Sie können Produkte des Waldes wie Früchte, Holz und medizinische Pflanzen, nicht mehr nutzen und werden von ihrem Land vertrieben und bei Widerstand verfolgt. Zwischen 1988 und 2002 wurden 479 Menschen in solchen Konflikten gefoltert, Dutzende getötet.
Willie Smits, Gründer von SarVision, einer Gesellschaft, die Satellitenbilder des Regenwaldes bereitstellt, berichtet: „Wenn man es sich genau anschaut, sind die Gebiete, in denen Lizenzen für Plantagen erteilt werden, jene mit hohem Erhaltungswert. Worum es ihnen wirklich geht, ist es, das Holz zu stehlen, ohne jede Absicht, jemals Ölpalmen zu pflanzen.“ So wurden in Kalimantan auf drei Millionen Hektar Regenwald, die angeblich für das Anlegen von Plantagen vernichtet wurden, nur 300.000 Hektar wirklich bepflanzt. In vielen Fällen wird hingegen nach dem Schlägern Feuer gelegt, um degradiertes Land zu schaffen, auf dem Plantagen angelegt werden dürfen. Wie das indonesische Umweltnetzwerk Walhi herausgefunden hat, sind für 80% dieser Brände Plantagenunternehmen verantwortlich.
Durch den hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in den Plantagen sind die Böden nach 20 Jahren ausgelaugt, der Wasserhaushalt gestört und die Umwelt vergiftet; eine biologisch so gut wie tote „grüne Wüste“ bleibt zurück. Katastrophen wie Dürre und Überschwemmungen sind die Folgen, von den Infernos der Waldbrände abgesehen. Die Situation in anderen Ländern wie Kolumbien, Ecuador oder Nigeria, die eine Ausweitung ihrer Ölpalmplantagen planen, ist kaum weniger problematisch.
Als Reaktion auf diese Fehlentwicklung wurde die Forderung nach einer Zertifizierung „nachhaltiger“ Produktion von Palmöl laut. Mit diesem Ziel wurde bereits 2004 der „Roundtable for Sustainable Palm Oil“ gegründet, dem Käufer, Produzenten und Umweltorganisationen angehören. Er hat Kriterien festgelegt, die der Umwandlung von Regenwald in Plantagen ebenso entgegenwirken sollen wie dem Einsatz von Feuer zur Rodung oder dem Konflikt zwischen Plantagen einerseits und ländlichen Gemeinschaften sowie Wildtieren andererseits.
In der Praxis sind diese Kriterien bisher nicht wirksam geworden. Einige Unternehmen haben inzwischen aber vom Einsatz von Palmöl Abstand genommen. Großbritanniens größter Energieversorger RWE npower etwa hat sich gegen Palmöl entschieden, da es keine Garantie dafür gebe, dass die Lieferungen nicht aus zerstörten Regenwäldern oder Torfmooren stammten. Auch der niederländische Energieerzeuger Essent kündigte im Dezember an, Palmöl so lange nicht zu verheizen, bis die Unbedenklichkeit der Quellen geklärt sei.
Al Hilal Hamdi machte für Indonesien aber klar, dass sein Land nicht „über die Fähigkeit und die Kapazität“ verfüge, um allein die nötigen Schritte zu setzen, sondern die Unterstützung von Ländern wie den USA oder der EU brauche. Ebenso unverzichtbar .werden aber, so die Umweltorganisationen Sawit Watch, rechtliche und politische Reformen in Indonesien sein. Sie bezweifelt, dass eine „nachhaltige“ Gewinnung von Palmöl auf Plantagen überhaupt möglich ist.