Öl und Diamanten haben Angola im südlichen Afrika zur Vormachtstellung verholfen. Die Großmacht entstand im Krieg und lebte vom Krieg.
Lumumbas US-unterstützter Bezwinger Mobutu Sese Seko, der den Kongo mittlerweile in Zaire umbenannt hatte, bot sein Land als logistische Basis dieser gigantischen Militäroperation an: Soldaten aus Apartheid-Südafrika, Berater aus den USA und Söldner aus Frankreich traten den Gegnern der MPLA zur Seite und verwehrten ihr die Kontrolle über das angolanische Territorium. Der lokale Rivale der MPLA, Jonas Savimbi, machte sich zum Freund der Apartheid sowie Mobutus und bot an, Angola für den Westen zu erobern. Er scheiterte – erst in den 80er Jahren an der Intervention Kubas auf der Gegenseite und dann in den 90er Jahren am Verschwinden des globalen Ost-West-Konflikts. Zum Buhmann der Welt geworden und gejagt wie ein Tier, starb Savimbi im Februar 2002 bei der letzten großen Offensive der MPLA-Armee.
In einer geradezu tragischen Wendung ähnelt Savimbis elender Tod dem Lumumbas 31 Jahre zuvor. Im trockenen ostangolanischen Busch wurde Savimbi von Kugeln durchlöchert, nach Angaben seiner Mörder im Kampf gefallen, aber mit zahlreichen Schüssen in den Kopf getroffen. Der genaue Todestag ist ebenso geheimnisumwittert wie die genauen Umstände, und hartnäckig zirkulieren Gerüchte über entscheidende Mitwirkung westlicher Mächte. Bei Lumumba dauerte es fast vierzig Jahre, bis durch Recherchen in Belgien die Wahrheit über seine brutale Hinrichtung ans Licht kam; nichts spricht dafür, dass Angola seine Geheimnisse schneller preisgibt.
Denn Angolas Regierung ist heute nicht nur Sieger im Bürgerkrieg, sondern eine regionale Großmacht, nach Meinung einiger KritikerInnen so mächtig wie kein Land im südlichen Afrika seit den finstersten Zeiten der südafrikanischen Apartheid. Hofiert und gefürchtet, ist sie zum unumgehbaren Partner für alle geworden, die im südlichen und zentralen Afrika politisch etwas erreichen wollen. Und das wollen viele – nicht nur die Länder der Region, sondern auch die Großmächte der Welt, heute nicht weniger als vor vierzig Jahren.
Die Gründe dafür sind einfach und haben mit Ideologie überhaupt nichts zu tun: Angola ist der zweitgrößte Ölproduzent Afrikas südlich der Sahara und hat die größte aktive stehende Armee des Kontinents. Diese beiden Tatsachen hängen eng miteinander zusammen. Weil Angolas Öl, fernab des Krieges in Tiefseevorkommen vor der Atlantikküste gelagert, das strategische Interesse des Westens erweckte, haben die Waffenexporteure der Welt die MPLA militärisch immer weiter aufgepäppelt, damit diese den Krieg gegen die Unita gewinnen konnte – und zugleich zum regionalen Machtfaktor aufstieg.
Es dauerte genau zehn Jahre, bis die MPLA diese Metamorphose vollendet hatte. Anfang der 90er Jahre noch kontrollierte die Unita 70 Prozent des Landes und hatte Freunde auf der ganzen Welt, während die MPLA nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers völlig isoliert dastand, mit dem Rücken zur Wand beziehungsweise zum Atlantischen Ozean. Aber nach den überraschend gewonnenen Wahlen von 1992, den einzigen in Angolas Geschichte, hatten die frisch vom Sozialismus geläuterten Machthaber in Angola endlich die Legitimität, die sie brauchten, um in einem sich verändernden politischen Klima zu bestehen.
Ölmilliarden wurden verpfändet, um Kredite aufzunehmen; die Regierung kaufte Rüstungsmaterial zu überhöhten Preisen, um sich und ihren ausländischen Freunden fette Provisionen zu sichern, und setzte dafür Dunkelmänner mit besten Kontakten in Paris und Washington ein, um sich politische Einflussmöglichkeiten zu sichern. Nach außen wurde das dargestellt als Beitrag zu einem gerechten Kampf gegen Terroristen. Wenn die Unita mit Diamanten ähnlich schmutzige Geschäfte machte, wurde das skandalisiert und mit UN-Sanktionen belegt. Angolas Krieg blieb bis zuletzt der einzige in Afrika, in dem die meisten auswärtigen BeobachterInnen noch immer nach ideologischen Schablonen Partei ergriffen, in völliger Verkennung der Realität.
Dass von 1994-98 Frieden herrschte, war der Herausbildung einer korrupten Kriegs- und Rohstoffwirtschaft kein Hindernis – im Gegenteil. Nach Weltbankangaben stieg das Einkommen der reichsten zehn Prozent von Angolas Bevölkerung in dieser Friedenszeit um 44 Prozent, das der untersten zehn Prozent sank hingegen um 59 Prozent. Der neue Frieden ab jetzt dürfte zu ähnlichen Fehlentwicklungen führen. Heute lebt fast die Hälfte der knapp zehn Millionen EinwohnerInnen als Kriegsvertriebene und ihre Zahl nimmt ständig zu, in dem Maße, wie die Regierung ihre Kontrolle über das Staatsgebiet festigt. Die UNO hat Probleme damit, jährlich 200 Millionen Dollar für die allernötigste Hungerhilfe zu finden, während die in Angola tätigen Ölkonzerne – an erster Stelle Chevron aus den USA und Total-Elf-Fina aus Frankreich und Italien – der Regierung jährlich über drei Milliarden Dollar Steuern zahlen, die zu großen Teilen zum Militär wandern.
Die neugewonnene finanzielle und militärische Macht setzte die MPLA nicht nur gegen die Unita ein, sondern auch in der Nachbarschaft. Ihre Hilfe war entscheidend für die Niederlage Mobutus gegen die Rebellion von Laurent Kabila in Zaire 1996/97 – eine späte Rache an Savimbis Schutzpatron. Im Herbst 1997 sicherte Angola auch im benachbarten Kongo-Brazzaville einen Machtwechsel per Militärintervention – bis heute schützen angolanische Truppen das Regime des dortigen Präsidenten Denis Sassou-Nguesso, wie Dos Santos ein ehemaliger Marxist und enger Freund der internationalen Ölkonzerne. Im Sommer 1998 verhinderte Angola in Kinshasa den Sturz Laurent Kabilas durch einen von Ruanda unterstützten Putschversuch der neuen kongolesischen Armee und blieb bis zum Tod des Kongolesen die militärisch bestimmende Macht im Kongo. Angolanische Truppen haben Unita-Kämpfer sogar über die südlichen und östlichen Grenzen des Landes hinweg nach Namibia und Sambia verfolgt.
Die Großmacht Angola, die im Krieg entstand und vom Krieg lebte, ist dem neu ausgerufenen Frieden allerdings nicht unbedingt gewachsen. Schon mehren sich Forderungen aus den USA und anderen Ländern, jetzt doch endlich die immer wieder mit Hinweis auf den Krieg verschobene demokratische Öffnung vorzunehmen, die Korruption einzudämmen, die Allmacht des Staates zu beschränken und die Bedingungen für einen wahren Frieden auch in der Gesellschaft zu schaffen. Ohne das „Alibi Savimbi“ wird es die MPLA viel schwerer haben, Kritik an ihrer Politik abzuwehren.
Sollte der internationale Druck auf die MPLA nun also weiter steigen, hätte der tote Savimbi Dinge erreicht, die er zu Lebzeiten nie verwirklichen konnte. Auch darin ähnelt er Lumumba mehr, als die Anhänger beider es gerne wahrhaben würden. Das liegt aber nicht an ihm. Es liegt am Handeln der westlichen Mächte und ihrer im Langzeitblick völlig opportunistischen Politik in diesem Teil der Welt.
Dominic Johnson ist Afrika-Ressortleiter der Berliner Tageszeitung taz.
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