Das südamerikanische Binnenland wurde in den fast 200 Jahren der Unabhängigkeit meistens von Diktatoren beherrscht. Bei den Präsidentschaftswahlen am 20. April könnte ein Befreiungstheologe und ehemaliger Bischof gewinnen.
Armenhaus Südamerikas: So wird das Binnenland, in dem das indigene Guaraní Hauptsprache und neben Spanisch auch Amtssprache ist, oft bezeichnet. Eine jüngst veröffentlichte amtliche Studie ergab, dass 42% der etwa sechs Millionen EinwohnerInnen im Jahr 2006 in extremer Armut, also ohne ausreichenden Zugang zu Nahrung, Kleidung, Wohnraum oder Bildung lebten. Der wichtigste Wirtschaftssektor ist die Landwirtschaft, vor allem der Sojaanbau brasilianischer Großbetriebe. Zahlreichen Menschen fehlt aufgrund dieser Latifundienwirtschaft der Zugang zu Land und somit die Möglichkeit der Eigenversorgung.
Gegen diese prekären Verhältnisse organisieren sich die Campesinos in ihren Zusammenschlüssen von Kleinbauern, Landlosen und LandarbeiterInnen. Sie kämpfen für eine gerechte Agrarreform. Die Inbesitznahme von tausenden Hektar Land durch ausländische Agrarkonzerne erfolgte oftmals durch gesetzlose, sogar gewalttätige Aktionen. Diese sind gegenwärtig noch Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren, die die Eigentumsverhältnisse klären sollen.
Die Nation blickt auf eine schwierige Geschichte zurück. Nach der Unabhängigkeit von der spanischen Krone im Jahr 1811 wurde das Land bis 1989 von Diktatoren beherrscht. Vom Ruf der wirtschaftlichen Großmacht Südamerikas im 19. Jahrhundert musste sich das Land nach der verheerenden Niederlage im „Triple Alianza“-Krieg (1865 – 1870) gegen Argentinien, Brasilien und Uruguay verabschieden. Nur ein Siebtel der Bevölkerung, etwa 220.000 Menschen, davon 28.000 Männer, überlebte.
Traumatisiert von Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen hegen nun Viele die Hoffnung, die 61-jährige Regentschaft der konservativen Colorado-Partei abzuschütteln. Die Colorados herrschten während der im Jahr 1954 beginnenden Amtszeit des deutschstämmigen Diktators Alfredo Stroessner, der nach einem Putsch im Jahr 1989 nach Brasilien ins Exil ging und dort 2006 verstarb. Die Folgen der Diktatur sind noch nicht aufgearbeitet; Diener und Günstlinge dieses menschenverachtenden Systems bekleiden nach wie vor öffentliche Ämter und einflussreiche politische Positionen. Dies zeigt sich auch anhand der aktuellen Vorwürfe, wonach der Vizepräsident der obersten Wahlbehörde aktiver Unterstützer der Diktatur und Mitwisser von Folterungen gewesen sein soll.
Am 20. April 2008 finden allgemeine Wahlen statt, bei denen auch der Nachfolger des derzeitigen Staatspräsidenten Nicanor Duarte Frutos gewählt wird. Erstmals besteht nach der Einigung großer Teile der Opposition auf einen Präsidentschaftskandidaten, den ehemaligen Bischof Fernando Lugo, eine realistische Chance, das alte System zu Fall zu bringen.
Die Machthaber in Wirtschaft, Staat und Justiz sind korrupt und untereinander eng verflochten. Weil sie vermutlich den drohenden Verlust von Einfluss und die Privilegien nicht hinnehmen wollen, befürchtet die Opposition Wahlmanipulationen und ruft dringend nach ausländischen Wahlbeobachtern.
Paraguay
Fläche: 406.752 km2
EinwohnerInnen: 6,1 Millionen (2007)
Paraguay ist eines der am dünnsten besiedelten Länder Lateinamerikas mit jedoch überdurchschnittlich hoher Wachstumsrate. Seit 1982 hat sich die EinwohnerInnenzahl nahezu verdoppelt. Die Bevölkerung ist zu 95% mestizisch, 3% sind Indigene und 2% Weiße (darunter ca. 30 000 Deutsche bzw. deren Nachkommen).
Das Land ist wirtschaftlich nur gering entwickelt. Das enorme hydroelektrische Potenzial wird vor allem in gemeinsamen Projekten mit Brasilien und Argentinien erschlossen; in der Landwirtschaft sind brasilianische Unternehmen stark vertreten. Während 27% der Importe aus der VR China stammen, geht die Hälfte der Exporte (v.a. Soja, Rindfleisch, Mais und Tierfutter) in die Mercosur-Staaten Uruguay, Brasilien und Argentinien. Paraguay ist ebenfalls Mitglied dieses Wirtschaftspaktes.
red
Karin Brunner ist Juristin und Autorin sozialkritischer und interkultureller Texte. Zuletzt bereiste sie ein halbes Jahr lang Südamerika, wo sie speziell in Paraguay zur aktuellen politischen und sozialen Situation recherchierte.