Barbara Dröscher
Sachbuch. Verlag Walter Frey – edition tranvía, Berlin 2011, 232 Seiten, EUR 17,80
Die Autorin äußert mehrfach Zweifel, ob sie ihre politischen Beobachtungen niederschreiben soll, ob sie tatsächlich der politischen Situation entsprechen. „Kaffeesatzlesen“, nennt sie das dann. Und Kaffeesatzlesen ist es auch, was „Kubanologen“ oft – in Ermangelung besserer Informationen – tun müssen. Barbara Dröscher hat den meisten von ihnen voraus, dass sie von 2006 bis 2008 in Havanna – für den Deutschen Akademischen Austauschdienst – gelebt hat, bevor ihr Vertrag als Literaturwissenschaftlerin an der Uni nicht verlängert, sie „hinausgeschmissen“ wurde, wie sie das nennt. Barbara Dröscher beschreibt den Alltag mit all den Problemen einer privilegierten Ausländerin, ein bisschen tagebuchartig, sehr persönlich, gedankenreich, authentisch, nicht ohne Bitterkeit.
Ausführlich beschreibt sie die alltäglichen Betrügereien in Geschäften, Tankstellen und Restaurants. Scharfsinnig sind ihre Gedanken zum Thema soziale Unterschiede, Scham und Schamlosigkeit: „Es ist nicht das kapitalistische System, das sie ausschließt, sondern eine doppelbödige Wirtschaftsordnung mit den entsprechenden Seilschaften und Kanälen, die den Grad des Zugangs zum Konsum bestimmen.“ (S. 58)
„ … Für das Regime bietet dieser illegale Lebensalltag eine hervorragende Disziplinierungsmöglichkeit. Da alle ständig das Gesetz übertreten (müssen), kann jeder und jede jederzeit belangt werden …“ (S.70)
Dröscher tritt dennoch gegen eine Abkehr von Kuba und für Kooperation ein. Und sie beschreibt auch die Spielchen ihrer (deutschen) Botschaft, womit sie sich konsequent zwischen alle Stühle setzt. Besonders schlecht kommt die Informationspolitik auf der Insel weg und auch Revolutionsführer Fidel Castro, der zu jener Zeit gerade krankheitsbedingt seinen Rückzug aus der Politik antreten musste. Kein Buch für ScheuklappenträgerInnen und Kuba-AnfängerInnen.
Robert Lessmann
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