Fremdenfreundlichkeit, was könnte das sein? Ich bin freundlich zu dir, weil du fremd bist? Obwohl du fremd bist? Weil ich nett bin, auch zu Fremden?
Doch eigentlich sollte man sich nicht wundern. Schließlich bergen Äußerungen wie die genannten emotionales Potential genug, um schlichtweg beleidigend zu sein. Tragischerweise ist das gerade für die Wohlmeinenden, die um Kommunikation Bemühten, oft nicht nachvollziehbar. Doch der dahinterliegende Mechanismus ist klar: Aufgrund eines äußeren Merkmals, wie ihrer „Hautfarbe“ oder ihrer dunklen Augen, werden Menschen aus anderen Kulturen zum Objekt der Neugier jener, die sich sofort die Freiheit nehmen, persönliche Fragen zu stellen (auch nach dem Stammbaum – als handle es sich um einen Rassehund und nicht um einen Menschen!), und die dann unreflektiert kategorisieren, also die Person nicht mehr als Person ansehen sondern nur mehr als Repräsentant „der Pakistani“ sehen wollen.
Mindestens genauso schlimm wie diese Ent-Menschlichung ist, dass die interessierten Frager oft auch meinen, die „fremde“ Nationalität des „anderen“ sei das einzig mögliche Gesprächsthema. Dieselbe Kategorisierung geschieht mit „den Mischlingen“, „den Afrikanern“ und „den indischen Frauen“.
Diese vermeintlichen Komplimente zeigen also, dass bei denjenigen Menschen, die als „anders“ wahrgenommen werden, auch ihre positiven Eigenschaften als „rassebedingt“ gesehen werden und nicht als individuelle Eigenschaften oder Merkmale ihres spezifischen Mensch-Seins. Mit Äußerungen wie den genannten wird also den Angesprochenen ihre Individualität abgesprochen und dadurch werden sie als Individuen negiert – und all das mit einem nett gemeinten Kompliment!
Ähnlich Entwürdigendes passiert, wenn wohlmeinend aber in Gegenwart der Person, auf die die Frage sich bezieht, gefragt wird: „Spricht sie Deutsch?“ oder „Kennt er Schnitzel?“, als ob sie/er nicht in der Lage wäre für sich selbst zu sprechen. Aufmunternder Tonfall, hochgezogene Augenbrauen und ein permanentes, wohlwollendes Lächeln, sonst nur im Umgang mit Babys und Kleinkindern anzutreffen, machen noch deutlicher als jedes Wort, dass „die/der Fremde“ als „fremd“ wahrgenommen und oft auch nicht für voll genommen wird.
Gerade durch diese Herablassung, Kategorisierung und Entmenschlichung wird das sogenannte „Anderssein“ hervorgehoben, „das Fremde“ konstruiert und „die Fremdheit“ durch den Sprachgebrauch und das Verhalten der „Nicht-Fremden“ perpetuiert. Und das auch im offiziellen Sprachgebrauch des offiziellen Österreich, und zwar nicht nur bei den offen ausländerfeindlichen Gruppierungen. Auch „Ausländerfreundliche“ grenzen die Ausländer aus: So sprechen Politikerinnen, die ihre Sorge darüber zum Ausdruck bringen wollen, dass die Integration in den Wiener Gemeindebauten nicht reibungslos vorangeht, über „noch nicht integrierte Neo-Österreicher“ (im Standard vom 6./7.11.1999, S.2). Neo-Österreicher? Also wohl Menschen, die zwar die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, aber halt doch noch nicht wirklich ganz dazugehören. Und das Gesetz definiert so manche in Österreich geborene Menschen als „Aus-Länder“, nämlich als „Ausländer zweiter Generation“. Auf jeder Ebene des öffentlichen Diskurses wird das Fremde konstruiert, werden Menschen als „anders“ abgestempelt. Ausgegrenzt. Benachteiligt.
Nicht nur PolitikerInnen aller Parteien, sondern auch die Wissenschaft hat so ihre Vorannahmen: so z.B. dass „die Bevölkerung“, d.h., die „echten Österreicher“ selbstverständlich Angst hat, wenn „zu viele“ „Ausländer“ in einem Bezirk wohnen, oder wenn „zu viele“ „ausländische“ Kinder in einer Klasse sitzen; wissenschaftlich untersucht werden dann nur mehr die „emotionalen Blockaden gegenüber einem bedrohlichen Thema“ (so der Standard vom 1.2.2000, S.12, unkommentiert über eine Boltzmann-Studie zum Thema Fremdenhass) und nicht mehr, wie und warum dieser Hass entsteht. Auch damit wird der Status quo festgeschreiben: Fremde sind fremd, Ausländer sind Ausländer, Tschusch bleibt Tschusch.
Bemühungen, die darauf basieren, „fremde Menschen“ akzeptabel zu machen, können nicht gut gehen. Auch und gerade auch dadurch nicht, dass man glaubt, die „Fremdheit“ der „Anderen“ ständig ansprechen zu müssen, um die eigene Offenheit zu signalisieren. Es geht doch darum, Menschen zu akzeptieren. Und nicht darum, in der Kommunikation mit ihnen und über sie nicht wieder ihre „Fremdheit“ zu betonen. Denn so bleiben sie ausgegrenzt.
Fremden-feindlichkeit? Fremden-freundlichkeit? Oft leider nur zwei Seiten einer Medaille.
Renate Resch und Michčle Kaiser-Cooke sind Lektorinnen an der Universität Wien. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist interkulturelle Kommunikation
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