Globale Weihnachten

Von Rudi Lindorfer · · 2003/12

Wie jedes Jahr empfiehlt der Buchhändler unseres Vertrauens gedruckte Geschenke. Diesmal: Frohbotschaften der anderen Art.

Eigentlich fängt Weihnachten früher an als im Kalender verzeichnet; ein Blick in Schaufenster Anfang November genügt. Und da dieses Weihnachten weltweit gefeiert wird, löst es eine riesige Geldlawine aus und eine Menge Geld gerät in wenige Hände. In vergangener Zeit, als Wörter, die „global“ enthielten, eher für weltoffen und weltumspannend standen, in der unter weltweit etwas Verbindendes im positiven Sinn begriffen wurde – wenigstens in der europäisch-christlichen Tradition – zogen Missionare aus, um bis in den letzten Winkel der Erde die Frohbotschaft zu tragen. Das brachte Völkern, wie z. B. den Herero eine Kleidung ein, die an eine Tiroler Tracht erinnert. Colin Prior globetrottete zu Völkern in Kenia, Tansania, Namibia, Indonesien, Australien, China, Kanada, im Himalaja, im Atlasgebirge und im Goldenen Dreieck, die (oft auch durch Anpassung) ihre alte Kultur bewahrt haben. In seinem Werk stellt er uns in Wort und Bild Menschen vor, die der „alten“ Globalisierung getrotzt und sie halbwegs unbeschadet überstanden haben – aber ob ihre Kulturen die jetzt (über)rollende überstehen werden?

Hoffnung dafür machen Jerry Mander und John Cavanough in „Eine andere Welt ist möglich“. Das Buch ist das Resultat eines dreijährigen Brainstormings von ExpertInnen des International Forum of Globalization. Die hier formulierten Ideen (u. a. von Vandana Shiva und Walden Bello) zeigen konkrete Alternativen auf, die allerdings von den KonsumentInnen einiges fordern – z. B.: Kauft Produkte von kleinen und mittelständischen Firmen, die im Land arbeiten (lassen), bzw. solche, die fair gehandelt sind – und fordert solche Waren ein! Als Wegweiser dazu mag „Das neue Schwarzbuch Markenfirmen“ herhalten. Es macht das Einkaufen zwar nicht einfacher (im Gegenteil!): Ausbeutung und Kinderarbeit bei Mattel (u. a. Barbie), Nike, Chiquita, Adidas, Dole, Nestle, Suchard … Leider ist die Liste lang. Doch auch dieses Buch führt vor, welche Macht KonsumentInnen, jede/r Einzelne von uns, haben, korrupte Regierungen und Multis zu einer menschenfreundlicheren Politik zu zwingen. Weihnachten ist ein idealer Anlass dazu.

Und dann gibt es eine große Gruppe Menschen, die glaubt, Weihnachten würde nur wegen ihr gefeiert: Kinder. Während ich das hier schreibe, mischt sich ständig meine Tochter Johanna (7) ein und regt sich auf, dass Erwachsene immer bevorzugt werden: „Ich will auch Bücher empfehlen! Du musst schreiben, dass ich vielen Kindern wünsche, dass sie diese Bücher bekommen.“ Aus Platzmangel haben wir uns dann für folgende zwei entschieden: „Familien“ von Uwe Ommer und „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“ von Rafik Schami und Ole Könnecke. Das erste, meint Johanna, „weil mit ihm Kinder und Erwachsene Freude haben“, das andere, damit „Kinder sehen, dass Große oft ziemlich dämlich sind“. Papa ist groß, stark, witzig und klug. Er kann sogar Zaubertricks. Aber komisch: Er hat trotzdem Angst vor Fremden. Darum beschließt seine Tochter, ihm zu helfen; aber so, dass er es erst gar nicht merkt – ein wunderbares Bilderbuch (ab 4 Jahre).
Ebenso großartig ist der Bildband (ab 8 Jahre) von Uwe Ommer, in dem Kinder aus aller Welt von ihrem Leben, ihrem Zuhause (das ausgefallenste ist wohl eine schwimmende Schilfinsel im Titicacasee) und von ihrer Familie, die auch immer mittels Farbfotos vorgestellt wird, erzählen. Eine Landkarte zeigt, wo diese Zuhause liegen und auch jedes Land wird kurz vorgestellt; ein Familienbuch in jeder Hinsicht. Und hiermit ist Johannas Glück vollkommen. Sie wird mit ihren beiden Lieblingsbüchern in der Zeitung stehen! Zum Lesen muss ihr aber das Christkind schon noch andere Bücher bringen. Natürlich wird es das tun.


Jerry Mander/John Cavanough (Hg.):
Eine andere Welt ist möglich
Riemann Verlag, München 2003. 384 Seiten. EUR 22,70

Klaus Werner/Hans Weiss: Das neue Schwarzbuch Markenfirmen
Deuticke Verlag, Wien 2003. 408 Seiten. EUR 19,90

Uwe Ommer: Familien
GEOlino, Hamburg 2003. 112 Seiten. EUR 20,50

Rafik Schami/Ole Könnecke: Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm
Hanser Verlag, München 2003. 32 Seiten. EUR 13,30

Colin Prior: Urvölker
National Geographic, Hamburg 2003. 192 Seiten. EUR 40,20

Rudi Lindorfer ist Buchhändler von Südwind Buchwelt in Wien.

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