Wirtschaftsaufschwung, friedlich verlaufene Präsidentschaftswahlen und mehr Möglichkeiten, politisch aktiv zu werden: 40 Jahre nach der Unabhängigkeit Mosambiks hofft die ländliche Bevölkerung auf einen Neustart.
Irrigação gota a gota, so lautet die Formel, die derzeit in der im Herzen Mosambiks gelegenen Provinz Sofala für viele fast schon nach Wunder klingt. Irrigação gota a gota, das ist portugiesisch und beschreibt Tröpfchenbewässerung. Das Prinzip ist simpel: Über eine dieselbetriebene Pumpe wird alle paar Tage Wasser auf zwei bis drei Meter Höhe in einen großen Behälter befördert. Von dem Behälter führt ein Kunststoffschlauch zum Feld. In diesen Schlauch sind winzige Löcher gebohrt, aus denen alle paar Minuten ein Tropfen Wasser dringt. Die Erde wird feucht, aber nie nass. Das Wasser verdunstet nicht unnötig, und trotzdem bleibt der Boden stets gerade so feucht, dass die Pflanzen genug Nährstoffe daraus entnehmen können.
Die Erträge können sich sehen lassen. Noch dazu kann das ganze Jahr über angepflanzt werden: Gurken, Kohl, Tomaten. Und neue Gemüsesorten kommen hinzu, zum Beispiel Melanzani.
Zacarias João Chimene ist Landwirt im Bezirk Nhamatanda in Sofala. Der 42-Jährige hat jede Menge Lebenserfahrung. Sein Gesicht erzählt viel – von der harten Arbeit, aber auch von Bescheidenheit und Demut. Dazu mischt sich ein hoffnungsvolles Leuchten in den Augen.
Die ersten zwanzig Lebensjahre von Zacarias waren nicht von wirtschaftlicher und sozialer Stabilität geprägt. Mosambik war einst eines der ärmsten Länder der Welt. In den vergangenen Jahren machte der Staat im Südosten des afrikanischen Kontinents international positive Schlagzeilen: Kohlereichtum und vor allem die vor wenigen Jahren entdeckten Erdgasfelder läuteten einen wirtschaftlichen Aufschwung ein. Mosambik verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich sieben bis acht Prozent Wirtschaftswachstum.
Das weckte auch das Interesse internationaler Konzerne. Unternehmen aus Indien und China haben längst Fuß gefasst, die Eliten im Land profitieren. Aber kommt der Boom bei den ärmeren Bevölkerungsschichten an?
Neuanfang. Schätzungen zu Folge sind drei Viertel der Arbeitstätigen im Land in der Landwirtschaft tätig. Wer in Mosambik die Ärmel hochkrempelt, kann sein Leben verbessern, ist Bauer Chimene überzeugt. Spricht man mit den Menschen hier in Sofala, scheint das Land wirklich die schweren Zeiten hinter sich lassen und einen wirtschaftlichen Neuanfang schaffen zu können. Eine weitere Hoffnung: Langfristige Stabilität, nachdem die Zeichen im ehemals vom Bürgerkrieg erschütterten Mosambik auf Frieden stehen.
Dabei wurde gerade in der Provinz Sofala in den vergangenen beiden Jahren die Situation noch einmal richtig brisant. Manche Beobachterinnen und Beobachter sprachen schon von der Gefahr eines Wiederaufflammens des 1992 beendeten Bürgerkrieges. Der Jahrzehnte schwelende Konflikt zwischen der linksgerichteten Regierungspartei FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique, Mosambikanische Befreiungsfront) und der ihr einst im Bürgerkrieg gegenüberstehenden und heutigen Oppositionspartei RENAMO (Resistência Nacional Moçambicana, Nationaler Widerstand Mosambiks) hatte sich noch einmal entzündet. Die RENAMO erfuhr in den vergangenen Jahren, indem sie Korruption und Machtmissbrauch anprangerte, wieder etwas mehr Unterstützung in der Bevölkerung des Landes.
RENAMO-Chef Alfonso Dhlakama hatte das Friedensabkommen von 1992 aufgekündigt und kritisierte, dass die Regierungspartei FRELIMO immer mehr Macht an sich reiße. Kriegsrhetorik sowie Anschläge in der Provinz Sofala, die als RENAMO-Hochburg gilt, waren die Folge.
Mosambik – viel geprüft
1975 erkämpfte Mosambik die Unabhängigkeit, nach 500 Jahren portugiesischer Kolonialherrschaft. Fast nahtlos schloss sich der letztendlich 16 Jahre dauernde Bürgerkrieg an, der nicht zuletzt ein Stellvertreterkrieg im Kalten Krieg war. Die sozialistische FRELIMO wurde von der damaligen Sowjetunion unterstützt, die RENAMO vom damaligen Rhodesien, vom Apartheidregime Südafrikas, von den ehemaligen portugiesischen Kolonialherren sowie von konservativen Kräften aus den USA und Westdeutschland. 1992 unterzeichneten die Kriegsparteien einen Friedensvertrag.
2013, ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2014, nahmen die Spannungen wieder zu. Die RENAMO führte bewaffnete Übergriffe durch, es kam zu Schusswechseln und Anschlägen mit Todesopfern auf beiden Seiten.
Felipe Nyusi von der FRELIMO gewann die Wahlen zwar deutlich, die RENAMO konnte ihre Stimmen gegenüber den Wahlen 2009 allerdings verdoppeln.
Anfang der 1990er Jahre war Mosambik eines der ärmsten Länder der Welt. Immer wieder sind viele der 25 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner mit Dürren und Flutkatastrophen konfrontiert. Erst im Jänner kamen über 150 Menschen bei Überschwemmungen ums Leben. Auch Krankheiten von Malaria bis HIV/AIDS sind große Herausforderungen, die der aufstrebende Staat meistern muss. az/red
Geglückte Wahl. Mit Spannung und mit Sorge wurden die Präsidentschaftswahlen am 15. Oktober 2014 erwartet. Doch zur positiven Überraschung vieler verliefen diese weitgehend fair und vor allem ruhig. Die Angelobung des neuen Präsidenten Felipe Nyusi von der FRELIMO im Jänner dieses Jahres erfolgte allerdings ohne Beisein der Oppositionspartei.
Trotzdem: Die Wahlen galten als Nagelprobe für Demokratie und Friedensprozess. Und derzeit scheint Mosambik die Probe zu bestehen.
Die Menschen in Sofala machen das auch an ganz anderen Dingen fest, etwa daran, dass sie mehr Züge sehen als noch vor ein paar Jahren. Jetzt, da die Eisenbahn wieder fahre, sei der Friede angekommen, hört man in den Dörfern entlang der Bahnlinie immer wieder. Die meisten Züge transportieren Steinkohle zum Hafen in die Küstenstadt Beira, der zweitgrößten Stadt von Mosambik und Hauptstadt der Provinz Sofala.
Veränderung von unten. Noch etwas anderes sorgt für Aufbruchsstimmung in Sofala: Eine neue politische Kultur, die die lokale Ebene stärkt. Die Zentralregierung hat die Gesetze so geändert, dass Kompetenzen stärker aufgeteilt werden. Über den Grund für diesen Schritt sind sich Beobachterinnen und Beobachter unsicher. War die Regierung schlicht mit den vielen Problemen des Landes überfordert und gab deswegen Macht ab?
In jedem Fall scheint die Dezentralisierung Mosambik zu verändern. Claudina Mazalo, Landesamtsdirektorin in der Provinz Sofala, erläutert am Beispiel Verwaltung: „Früher ging es von oben nach unten. Jetzt beginnt die Planung bei den Dörfern und geht nach oben über die Bezirke zur nationalen Ebene.“ Stolz berichtet sie, dass in ihrem Bereich in den vergangenen Jahren ein regelrechter Paradigmenwechsel stattgefunden habe. Und da könnten, ihrer Meinung nach, viele Länder von Mosambik lernen. Partizipation sei heute das Leitmotiv der Politik, so Mazalo, die für eine junge, gut ausgebildete und engagierte Generation in der Verwaltung steht.
Wichtige Impulse. Die ärmeren Menschen in Sofala und anderen Provinzen sind nach wie vor Zielgruppe von Entwicklungszusammenarbeit. Mosambik ist ein Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA). Der Fokus auf den Landwirtschaftsbereich habe laut Eva Kohl, Leiterin des Koordinationsbüros der OEZA in Mosambik, zu einer wesentlichen Verbesserung der Ernährungssicherheit vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten in ländlichen Regionen geführt. Und laut Kohl ist noch mehr drin: So werden derzeit nur zehn Prozent des bebaubaren Landes genutzt.
Chance. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen kann in Mosambik mit wenigen kleinen Impulsen viel bewirkt werden, so Kohl. Und Menschen wie Zacarias João Chimene werden motiviert, Dinge selbst anzupacken: Bei ihm fing es damit an, dass er im Rahmen der OEZA einen Kleinstkredit für die Anschaffung eines Pfluges erhielt. Mit der Ertragssteigerung konnte er nicht nur den Kredit zurückzahlen, sondern in die Tröpfchenbewässerung investieren. Seine neueste Erwerbung ist ein Kultivator, mit dem er Furchen in den Boden zieht und gleichzeitig das Saatgut einpflanzt. Wenn er die Maschine an seine Nachbarn vermietet, generiert er noch zusätzlich Einkommen.
Chimene hat zehn Kinder. Obwohl da einiges an Kosten zusammenkommt, kann er sie in die Schule schicken. Die Mühen der vergangenen Jahre haben sich gelohnt, meint er – und seine Augen scheinen noch stärker als sonst zu leuchten. „So wie die Tröpfchenbewässerung funktioniert, verändert sich auch mein Leben. Es wird jedes Jahr besser. Langsam. Mit jedem Tropfen, gota a gota.“
Der Journalist Andreas Zinggl ist vor allem für das Radio Ö1 im Einsatz, zudem ist er Caritas-Katastrophenhelfer. Der Autor nahm an einer von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit bezahlten Pressereise teil.
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