Soll die Entwicklungszusammenarbeit auch Friedensinitiativen auf der Ebene der Zivilgesellschaft unterstützen?
Antworten geben Außenministerin Benita Ferrero-Waldnerr und Thomas Roithner, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung.
Erfolge im Zusammenspiel zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Politik wie z.B. beim Friedensprozess in Burundi werden aber bereits sichtbar. Die Entwicklungszusammenarbeit einzelner Mitgliedsländer sowie die Implikationen auf Konflikte und friedenssichernde Maßnahmen wird auch im gesamteuropäischen Umfeld koordiniert; dieser Prozess ist allerdings bei weitem nicht abgeschlossen und erfordert noch erhebliche Anstrengungen seitens der EU sowie der Mitgliedsstaaten selbst.
Neben den bereits heute in die Entwicklungszusammenarbeit eingebundenen Aktivitäten gibt es viele weitere Initiativen, die durch friedenssichernde Maßnahmen den Ausbruch von gewalttätigen Konflikten zu vermeiden oder lösen suchen. Beispiele dafür sind die internationalen Friedensbrigaden oder der Versöhnungsbund, auch aus dem kirchlichen Bereich gibt es einige Beispiele wie den christlichen Friedensdienst. Ein Ansatz dieser Initiativen ist die Bereitstellung von Experten in Konfliktprävention und Mediation. Die Einbindung dieser Initiativen in laufende oder zukünftige Projekte sollte allerdings im Rahmen der bestehenden Partnerschaften durchgeführt werden, und zwar aus mehreren Gründen: Zum ersten lässt die bestehende Budgetlage eine Förderung weiterer Projekte nicht zu, ohne strategische Schwerpunkte zu gefährden, zum zweiten sollte die Anzahl der Beteiligten in den Projekten aus Gründen der Effizienz und der Steuerbarkeit nur bei absoluter Notwendigkeit erhöht werden, und drittens sind die Ziele dieser neuen Organisationen ohnehin deklarierte Ziele der laufenden Projekte und müssen innerhalb dieser auch umgesetzt werden. Entwicklungszusammenarbeit und Friedenssicherung sind im Idealfall deckungsgleich bzw. ergänzen einander – sie verfolgen das gleiche Ziel, die gewaltfreie Lösung von Konflikten.
Benita Ferrero-Waldner
Die traurigen Terroranschläge vom 11.9. haben gezeigt, dass sich westliche Außen-, Militär- und Wirtschaftspolitik nicht widerspruchslos globalisieren lässt. Seit dem Beginn des neuen Millenniums ist auch die Zeit einer neuen Außenpolitik – einer „Außenpolitik von unten“ – gekommen. Zivilgesellschaftliche Organisationen gewinnen besonders in den Bereichen internationale Solidarität sowie in der Umwelt-, Sozial- und Friedenspolitik an Bedeutung. Moderne Entwicklungszusammenarbeit muss die neuen Netzwerke und Kooperationen auf nichtstaatlicher Ebene stärken, um den Grundsätzen von Willy Brandt – Entwicklungspolitik als Friedenspolitik des 21. Jahrhunderts – zum Durchbruch zu verhelfen.
Zivilgesellschaftliche Organisationen haben in den zahlreichen „verlorenen Jahrzehnten“ viel theoretisches uns praktisches Wissen über zivile Konfliktbearbeitung erworben. Gerade im Bereich der Friedensarbeit ist die Kooperation mit vor Ort agierenden Organisationen unerlässlich. Das ermöglicht das Entwickeln von Alternativen auf regionaler Ebene und das Feststellen von tatsächlichen Bedürfnissen. Durch lokale PartnerInnen besteht ein verbesserter Zugang zu Informationen, womit der Rückhalt in der Bevölkerung gestärkt wird. Bei der Auswahl von lokalen PartnerInnen muss der Überparteilichkeit und der lokalen Netzwerk- und Infrastrukturschaffung zur eigenständigen Weiterentwicklung von Projekten höchste Priorität eingeräumt werden, damit sich die Vorteile von lokalen Kooperationen nicht negativ auswirken.
Friedenspolitische Faktoren müssen in alle entwicklungspolitischen Projekte im Sinne echter Konfliktprävention eingewoben werden. Das Beispiel Gesundheit: Wenn Menschen einer bestimmten Gruppe keinen Zugang zu medizinischer Infrastruktur haben, birgt dies Konfliktpotentiale in sich. Gerechte Verteilung und ein gemeinsames Erarbeiten von Wissen über Gesundheitsvorsorge kann das Miteinander über Trennlinien hinweg stärken und Brücken bauen. Projekte für Frieden und beispielsweise Gesundheit finden sich nicht in zwei Schubladen, sondern gemeinsam in einer Box.
Moderne Entwicklungspolitik muss sich als Engagement in den Bereichen Armut, Umwelt, Menschenrechte, Gender u.a. verstehen. Elemente der Friedenspolitik und Versöhnung darin einzuarbeiten, kann als ernst gemeinte Konfliktprävention verstanden werden. Eine verstärkte Kooperation zwischen der Entwicklungszusammenarbeit und Friedensinitiativen auf zivilgesellschaftlicher Ebene ist im Sinne einer „anderen Globalisierung“ (Galtung) im 21. Jahrhundert unabdingbar.
Thomas Roithner
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