Erich Hackl

Von Erich Hackl · · 2001/02

auf literarischer Entdeckungsreise im Süden

Es geht um einen Sarg, in dem ein Bürger des Städtchens Büttelsburg ruht. Jakob Kellermann wurde während der Nazizeit als Jude vertrieben und ist irgendwo in Südamerika gestorben. Sein letzter Wille war, in der Heimat begraben zu sein. Aber nun steht der Sarg, der aus dem Zug geladen wurde, nach feierlicher Ansprache des Bürgermeisters, mitten auf dem Marktplatz und lässt sich nicht von der Stelle bewegen.

Das ist die Ausgangssituation für den bedeutungsvollen Roman „Das Wunder von Büttelsburg“, den Fritz Kalmar geschrieben hat. Kalmar ist Wiener, auch wenn er in Montevideo lebt, sein Buch ist erst ein Jahr alt. – Kein Fall für die „Fundstücke“? Eigentlich schon. Denn immerhin ist der Autor seit 1939 in Südamerika ansässig, nachdem es ihm gelungen war, den Nazis zu entkommen. Die Geschichte, die er mit doppelbödigem Humor erzählt, handelt von Vergessen, Niedertracht und Opportunismus. Es gibt kein Happy End und auch keine Versöhnung. Und das, obwohl Kalmar ein absolut versöhnlicher Mensch ist, der zu differenzieren versteht. Deshalb hält er es auch nicht mit jenen unter seinen Kollegen, die Österreich als Ganzes für ein Naziland und eine Täternation ansehen. Von allen Schriftstellern, die ich kenne, ist Fritz Kalmar derjenige, der dieses Land am meisten liebt.

„Das Wunder von Büttelsburg“ sollte eigentlich von allen gelesen und propagiert werden, die über die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Naziterror klagen. Das sind nicht wenige. Kurios, dass hierzulande trotzdem keine einzige Besprechung des Buches erschienen ist. Vielleicht liegt es daran, dass Kalmar zu wenig Aufsehens von sich macht. Oder dass man die Exilierten lieber für immer im Exil haben will. Hier könnten sie ja stören, so wie Jakob Kellermann in seinem Sarg, bei uns in Büttelsburg.

Kalmars Roman „Das Wunder von Büttelsburg“ ist 1999 im Wiener Ibera-Verlag erschienen.

Erich Hackl lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen, auch Hörspiele und Drehbücher. Zuletzt erschien: „Der Träumer Krivanek. Eine Geschichte zu Bildern von Trude Engelsberger“, Galerie Seywald, Salzburg 2000.

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