Mitte Dezember findet in einem großen Festakt die offizielle Kanalübergabe durch die USA an Panama statt; auch Bill Clinton und Fidel Castro sind eingeladen. Panama hat nun die Chance, einen neuen Weg der Selbstbestimmung zu gehen.
Mitte Dezember findet in einem großen Festakt die offizielle Kanalübergabe durch die USA an Panama statt; auch Bill Clinton und Fidel Castro sind eingeladen. Panama hat nun die Chance, einen neuen Weg der Selbstbestimmung zu gehen.
Andreas Boueke
Panama-Stadt ist zweigeteilt. Die beeindruckende Skyline des modernen Zentrums und die gepflegten Viertel der Ober- und Mittelschicht stehen im krassen Gegensatz zu den historischen Stadtvierteln El Chorillo und San Felipe, wo die Menschen in Gebäuden leben, deren Glanz vergangener Zeit mit dem Schmutz der Jahre erlosch.
Enge Hauseingänge werden nachts von Obdachlosen bevölkert. Die hohe Kriminalitätsrate wird nur noch von den Arbeitslosenzahlen übertroffen. Der Blick hinüber zum internationalen Bankenviertel erinnert daran, daß in anderen Teilen der Welt die Zeit voranschreitet, während sie hier stehengeblieben zu sein scheint – genauso wie die Turmuhr der alten Kathedrale.
Auf dem hübschen Platz vor der Kathedrale begegnen sich Menschen aller Hautfarben. Viele Latinos sind in Handwerk und Handel beschäftigt. Nachkommen von Italienern und Griechen betreiben schmuddelige Restaurants. Einige ChinesInnen, deren Armenviertel nur wenige Straßenzüge entfernt liegt, besitzen kleine Läden. Zahlreiche afro-panamaische Männer bevölkern geruhsam die Parkbänke, wobei es dem Betrachter ein Rätsel bleibt, wie sie ihre vielköpfigen Familien ernähren.
Es fällt auf, daß auf dem Platz fast nie US-Amerikaner zu sehen sind. Ansonsten ist der kulturelle Einfluß der USA in Panama nämlich so deutlich wie in keinem anderen Land der Region. Zum Beispiel gibt es neben dem US-Dollar keine nationale Währung. In den Kinos werden fast ausschließlich Hollywoodproduktionen gezeigt, und das panamaische Spanisch ist vermischt mit allerlei englischen Ausdrücken.
Auch historisch gesehen ist Panama eng mit den USA verbunden. Hätte die US-Regierung im Jahr 1903 nicht eine kleine, nationalistische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt, wäre Panama womöglich heute noch eine Provinz Kolumbiens. Im Gegenzug erhielten die USA alle Rechte für den Bau eines Kanals. Damals erschallte der triumphierende Ausruf des US-Präsidenten Theodore Roosevelt über den gesamten Kontinent: „I took Panama!“
Roosevelts Besitzanspruch wurde durch einen Absatz des Kanal-Vertrags bestätigt: „Die Republik Panama gestattet den USA auf ewige Zeit die Benutzung, Entwicklung und Kontrolle einer je acht Kilometer breiten Landzone beiderseitig des noch zu bauenden Kanals.“ Zudem bekam die Verfassung der neuen Republik einen Zusatzartikel, der es den USA erlaubt, in jedem Landesteil militärisch zu intervenieren, um die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit wieder herzustellen. Ein Freibrief, den die US-Regierung in den folgenden Jahrzehnten regelmäßig nutzte.
Seit der Einrichtung der Kanalzone traf die Politik der USA auf Widerstand in der panamaischen Bevölkerung. Ende der fünfziger Jahre war der heutige Juraprofessor Carlos Arellano Lennox einer der Organisatoren der ersten Studentenproteste: „Viele Leute sehen in Panama eine Art nordamerikanische Kolonie. Die berühmte Aussage des Präsidenten Roosevelt, er habe sich Panama genommen, war für die Panamaer eine unverzeihliche Erniedrigung. Seither leben wir mit dem Stigma, Panama sei keine unabhängige Nation. Deshalb haben die Studenten damals versucht, die Welt darauf aufmerksam zu machen, daß Panamas Recht auf Selbstbestimmung verletzt wurde.“
Die meisten US-BürgerInnen in Panama glauben noch immer, ihre militärisch abgesicherte Anwesenheit sei legitim gewesen: „Wir waren nie eine Besatzungsmacht in diesem Land“, erklärt der Geschäftsmann Edward Coyle. „Wenn die USA nicht gewesen wären, würde es heute keine Republik Panama geben. Außerdem haben wir den Kanal gebaut. Ohne den Kanal würde in diesem Land keine wohlhabende Mittelschicht existieren. Den Leuten hier geht es viel besser als der Bevölkerung anderer mittelamerikanischer und karibischer Staaten.“
Daß die US-Präsenz der panamaischen Gesellschaft einen wirtschaftlichen Vorteil gebracht hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Die USA sind Panamas wichtigster Handelspartner. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt weit über dem anderer Staaten der Region. Edward Coyle ist überzeugt: „Wenn die USA hier abziehen, wird der einfache Bürger viel verlieren. Der Lebensstandard wird sinken, den meisten Panamaern wird es schlechter gehen. Sollte es richtig unangenehm werden, können Leute wie ich in die USA zurückgehen. Auch die reiche Schicht wird keine Probleme bekommen. Aber die meisten Panamaer haben keine Wahl. Sie müssen hier bleiben.“
INI: Am 31. Dezember 1999 werden die USA die Kontrolle über den Kanal an die panamaische Regierung übergeben. So schreibt es ein Vertrag vor, den die Präsidenten Jimmy Carter und Omar Torrijos im September 1977 unterzeichnet haben. Doch ob damit auch die US-Militärpräsenz beendet sein wird, ist noch unklar. Alibel Pizarro, Mitarbeiterin des sozial engagierten Studienzentrums CEASPA, zweifelt daran, daß wirklich alle Soldaten abziehen werden: „Der Krieg gegen den Kommunismus ist beendet. Jetzt wird der Krieg gegen die Drogen geführt. Unser Nachbarland Kolumbien ist einer der wichtigsten Dorgenumschlagplätze der Welt. Das nutzen die USA jetzt als Argument dafür, ihre Militärpräsenz in Panama zu verlängern.“
Die Pläne für eine andauernde Stationierung von US-Soldaten in Panama werden kontrovers diskutiert. Der Juraprofessor Carlos Arellano Lennox meint: „Bei uns in Panama wird weder Koka angebaut, noch werden so große Mengen an Drogen konsumiert wie in den USA. Warum also sollen die Soldaten für den Drogenkrieg hier stationiert sein? Ich persönlich glaube, das eigentliche Interesse der US-Regierung ist es, nicht wirklich aus dem Land abzuziehen.“ So werden die USA wahrscheinlich auch über das Jahr 2000 hinaus die Politik der kleinen, mittelamerikanischen Nation maßgeblich mitbestimmen.
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Der Autor ist Diplomsoziologe und berichtet seit sieben Jahren für zahlreiche Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsender aus Mittelamerika. 1998 wurde er vom deutschen Bundespräsidenten mit einem Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet.
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