Monsignore Ramazzini setzt sich seit Jahren mit großem Einsatz für die Land- und sozialen Rechte der Armen seiner Diözese in Guatemala ein. Diese Anwaltschaft hat ihm heuer beinahe das Leben gekostet.
Wer mit ihm spricht, bekommt nicht den Eindruck, einem Bischof gegenüberzusitzen. Der untersetzte Mann mit dem verbindlichen Lächeln und dem dicken Pullover könnte genauso gut Wissenschaftler oder Anwalt sein. Salbungsvolle Wendungen und der fromme Tonfall, an dem man hierzulande die meisten Kleriker sofort erkennt, sind ihm fremd. Monsignore Alvaro Ramazzini, der Nachfahre italienischer und französischer Einwanderer in Guatemala, ist als Leiter der Landpastoral Anwalt der Landlosen und der Subsistenzbauernfamilien.
Sein Einsatz für die Landrechte, vor allem jener der von den Kolonisatoren abgedrängten Nachfahren der Mayas, hat ihm viele Feinde geschaffen. An die drei Leibwächter, die ihm Präsident Oscar Berger zur Seite gestellt hat, kann er sich nur schwer gewöhnen: „Warum müssen sich diese Leute exponieren?“ Die drei Schatten begleiten den Kirchenmann seit Ende Jänner, als ein Mordkomplott aufgedeckt wurde. Ein gedungener Mörder, der angab, ihm seien 50.000 US-Dollar für die Tat angeboten worden, hatte sich, von Gewissensbissen geplagt, gestellt. Wer die Auftraggeber sind, ist noch nicht bekannt.
Ramazzini hofft, dass die Untersuchungen das klären werden. Seit sein Kollege Juan Girardi vor sieben Jahren in seiner Garage erschlagen wurde, seien Drohungen gegen Bischöfe sehr ernst zu nehmen. Die Hintermänner genießen aber in Guatemala fast immer Straflosigkeit. Großgrundbesitzer oder ehemalige Militärs, die bewaffnete Banden unterhalten, wollen, so Ramazzini, jede demokratische Veränderung verhindern. Auch Präsident Berger selbst, ein Mann, der im Interesse der Wirtschaftslobbies regiere, trägt Schuld daran, dass Ramazzini verfolgt wird. Für Straßenproteste indianischer Bäuerinnen und Bauern zu Jahresbeginn hatte er den Bischof verantwortlich gemacht, obwohl sich der nur für eine friedliche Lösung des Konflikts eingesetzt hatte. Die Armee löste schließlich die Straßensperre mit Gewalt auf. Ein Bauer starb bei dieser Aktion.
Der Bürgerkrieg wurde zwar vor acht Jahren mit einem Friedensabkommen beendet, doch Guatemala bleibt ein waffenstarrendes Land, wo der Militarismus noch die Köpfe regiert. Neben einigen dutzend legalen gibt es über hundert nicht offiziell registrierte private Sicherheitsdienste. Deren Agenten sind meist mit Kriegswaffen ausgerüstet. Private und geschäftliche Dispute werden häufig mit Mord geregelt. Eine korrumpierte Polizei nascht an den Einkünften des organisierten Verbrechens mit, statt zu ermitteln. Die Schwächsten sind der Willkür der Starken und der Ohnmacht der Behörden genauso ausgeliefert.
Die vom Bischof geleitete Landpastoral steht landlosen Bäuerinnen und Bauern, die brachliegende Grundstücke besetzen, juristisch und moralisch bei. Denn die Umverteilung von Land ist immer noch ein Tabu. Wenige Großgrundbesitzer kontrollieren 60 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes. Die Latifundien wuchsen auf Kosten der indianischen Urbevölkerung, die durch juristische Tricks oder offene Gewalt vertrieben wurde.
Am 22. Februar wurde Bischof Ramazzini in Wien mit dem Konrad-Lorenz-Preis für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung, der jedes Jahr vom Umweltministerium vergeben wird, geehrt. Gewürdigt wird damit des streitbaren Bischofs Kampf gegen eine Goldmine, die in Ramazzinis Diözese San Marcos demnächst mit den Schürfungen beginnen soll. Der Konzern mit Mutterhaus in Kanada plant die Ausbeutung einer Goldader im Tagebau. Dadurch werden nicht nur die Wasserreserven der in über 2.000 Meter Höhe gelegenen Nachbargemeinden San Miguel Ixtahuacán und Sipacapa gefährdet. Der Einsatz von Zyanid würde die Flüsse und Bäche der Umgebung für viele Jahre verseuchen.
Spätestens seit dem Unfall in einem rumänischen Goldbergwerk vor einigen Jahren, der den Unterlauf der Donau mit Zyanid vergiftete, weiß man weltweit über die Gefahren dieser Art von Bergbau Bescheid.
die notwendigen Genehmigungen bereits erteilt hat, versucht Ramazzini gemeinsam mit lokalen Organisationen das Völkerrecht ins Spiel zu bringen. Das Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das einzige völkerrechtlich verpflichtende Abkommen zum Schutz indigener Völker, schreibt für solche Fälle eine Befragung der Betroffenen vor. Guatemala ratifizierte das Abkommen 1996, doch fehlt bis heute das Ausführungsgesetz, das es erst anwendbar machen würde. Ramazzini: „Sicherlich wird sich die Bergbaugesellschaft darauf berufen, sie hätte ohnehin die Gemeinden befragt.“ Das waren allerdings nur die Bürgermeister. Diese wurden mit dem Argument der neu geschaffenen Arbeitsplätze überzeugt.
Der Autor ist freier Mitarbeiter des Südwind-Magazins und lebte und arbeitete viele Jahre als Journalist in Zentralamerika.