An Gold und Koltan aus der Demokratischen Republik Kongo klebt Blut. Das soll sich ändern.
Musoko Charles Mwenelambo hatte große Pläne, als er noch ein Kind war: Er wollte studieren, dann viel Geld verdienen und damit seine Familie unterstützen. Inzwischen ist er mit 25 Jahren ein erwachsener Mann und mit 2.400 US-Dollar verschuldet. Statt eines Anzugs wie in seinen Träumen trägt er eine lehmverschmierte Windjacke und eine Baseballkappe. Studieren würde er immer noch gerne, „am liebsten Wirtschaftswissenschaften“. Stattdessen ist er Goldgräber, was den Lehm an seiner Kleidung und seine Schulden erklärt.
Mwenelambo ist gerade erst aus „seinem“ Stollen ans Tageslicht gekommen. Jetzt steht er am oberen Rand der riesigen Goldmine in seiner Heimatstadt Kamituga. Unter ihm liegt die Grube, deren Hänge zerfurcht sind von der jahrzehntelangen Mühe zehntausender GoldgräberInnen. Mwenelambo steht am Rande einer Traube von Menschen. Seine KollegInnen graben konzentriert an der Flanke des Berges. Vor ein paar Tagen hat es wieder einmal einen Erdrutsch gegeben, vier Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Die Leichen sind immer noch in dem Stollen, der bei dem Unglück eingebrochen ist. „Die Arbeit ist extrem gefährlich“, sagt der 25-Jährige. Er und an die 5.000 andere graben trotzdem weiter, mit Spitzhacke, Schaufel und Taschenlampe. „Weil es im Kongo keine andere Arbeit gibt“, sagt Mwenelambo.
„Mindestens 85 Prozent der Goldgräber sind völlig überschuldet“, sagt Léonard Kabungulu, der für die kongolesische Menschenrechtsorganisation RIO (Netzwerk für die Erneuerung der Institutionen) in Kamituga arbeitet. Das liege zum einen an der langen Kette der Zwischenhändler, die alle am Reichtum mitverdienen. Zum anderen an den vielen, überwiegend illegalen „Steuern“, die die GoldgräberInnen zahlen müssen. Für sie ist das Schürfen eine Art Lotterie. In der Hoffnung auf den großen Fund machen sie trotz der Schulden weiter. Die Lizenz zum Graben erkaufen sie durch jene Abgaben, die die unterschiedlichen Stellen verlangen: die traditionellen Chefs, die Gewerkschaft, das Militär. Eine staatliche Lizenz gibt es für die tausenden KleinschürferInnen nicht. Doch wer gräbt, muss auch an eine staatliche Behörde vor Ort zahlen.
In Kamituga sind die schlimmsten Plagegeister die Soldaten der kongolesischen Armee. Obwohl sie kein Recht dazu haben, sind sie ständig in der Mine und fordern regelmäßig von jedem Goldgräber ihren Anteil. Andere Minen im Kongo werden nicht von der nationalen Armee, sondern von einer der bewaffneten Gruppen kontrolliert. Den Arbeitern dort gehe es noch schlechter, meint Léonard Kabungulu. Die „Abgaben“ seien höher, die Sanktionen noch härter.
Eine aberwitzige Situation: Die Demokratische Republik Kongo ist ein mit Bodenschätzen gesegnetes Land, aber diejenigen, die den Reichtum aus dem Boden holen, haben kaum genug zum Leben. Es geht ihnen damit wie der Bevölkerungsmehrheit, die in absoluter Armut lebt. Die Bodenschätze schüren außerdem Konflikte. In zwei Provinzen im Osten kämpfen mehrere bewaffnete Gruppen um die Kontrolle der wertvollen Minen in dieser Region: um den Zugriff auf Gold, Kassiterit, Koltan und Wolframit. Die Erze werden vor allem für die Produktion von Handys und Computern gebraucht. Die Stadt Kamituga liegt auf einem reichhaltigen Goldgürtel in der Provinz Süd-Kivu und damit in einer der beiden Provinzen, in denen Gewalt weit verbreitet ist.
2.000 Kilometer von Kamituga entfernt sitzt Uwe Näher im siebten Stock eines modernen Bürogebäudes in der Hauptstadt Kinshasa an seinem Schreibtisch. Von seinem Bürofenster aus sieht Näher Hochhäuser und mehrspurige Boulevards. Der Geologe aus Deutschland arbeitet für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und ist seit 2009 in Kongo, um der Regierung beim Aufbau eines Systems zur Zertifizierung der Mineralien zu helfen. „Vor einem Jahr habe ich noch relativ schwarz gesehen“, sagt er, „aber durch den internationalen Druck sind die Dinge hier sehr schnell in Bewegung geraten.“
In den vergangenen Jahren machten Menschenrechtsgruppen die Zustände in den kongolesischen Minen bekannt. Die Kampagnen hatten Folgen: In den USA tritt Anfang 2012 der Dodd Frank Act in Kraft. Künftig müssen US-Unternehmen nachweisen, dass die von ihnen verwendeten Rohstoffe aus einer konfliktfreien Zone kommen. In der EU wird über die Vorbereitung eines ähnlichen Gesetzes diskutiert. In Kongo gibt es inzwischen ein System zur Zertifizierung der Minen, gemeinsam entwickelt von Näher und seinen KollegInnen mit der kongolesischen Regierung. Anhand von 21 Kriterien entscheiden die Teams der BGR bei ihren Ortsbesuchen im Osten, ob sie eine Mine zertifizieren oder nicht. Die Anwesenheit von Bewaffneten ist ein Ausschlusskriterium.
Außerdem haben die Geologen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich nachweisen lässt, aus welcher Mine ein Mineral kommt. Damit lassen sich Erze aus Konfliktgebieten in Zukunft zweifelsfrei vom Markt verbannen. Dafür müssen Näher und seine Kollegen allerdings erst eine Datenbank aufbauen, für die sie von jeder Mine eine Probe zum Vergleich brauchen. Bis sie die zusammen haben, wird es dauern. Allein in Süd-Kivu gibt es 351 Minen, von denen etliche schon mangels Straßen nicht zu erreichen sind. Und häufig ist die Fahrt dorthin schlicht zu gefährlich. Aber die ersten Schritte, sagt Näher, sind gemacht.
Die Autorin ist freiberufliche Journalistin mit Schwerpunkt Afrika für mehrere Zeitungen und den Hörfunk der ARD. Sie lebt in Nairobi.
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