Roman. Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen. Verlag C.H. Beck, München 2003, 240 Seiten, EUR 18,90
Dem ewigen, alles durchdringenden kalten Regen und den wilden Tieren wussten die ursprünglichen BewohnerInnen der zerklüfteten, kargen Küsten Südpatagoniens standzuhalten: Der Stamm Canoeros trotzte dem Meer seine Früchte ab, und der Stamm Parrikens jagte im Landesinnern das Guanako. Brutaler als die unerbittliche Natur und die Kälte Feuerlands sind die zu Beginn des 20. Jahrhunderts eindringenden Kolonisten aus England, Argentinien und Chile. Als Schafzüchter, Missionare, Robbenjäger, Abenteurer und rohes Gesindel zerstören sie das fragile Gleichgewicht zwischen UreinwohnerInnen und Natur, bringen Demoralisierung, Krankheit, Tod und letztlich die Ausrottung.
In Rückblicken, Erinnerungen, Schnitten wird die Geschichte dieses Verschwindens am Beispiel der Familie von Camilena, einer Canoera und Tatesh, einem Parriken erzählt. Als Camilena von Robbenjägern brutal vergewaltigt wird, führt Tatesh die Familie von der Küste ins Landesinnere. Die Guanakos haben längst den riesigen Schafherden Platz gemacht, und um überleben zu können, muss sich die Sippe wohl oder übel an den Schafen der Fremden vergreifen. Die Konfrontation ist unausweichlich. Die Feuerländer verteidigen sich aus dem Hinterhalt, die Kolonisten mit roher Gewalt. Das Ende von Camilenas und Tateshs Sippe kommt still und unabwendbar, ihre Welt ist mit der Erzählung endgültig zu Ende.
Die Sequenzen des Buches folgen einander wie schreckliche Traumbilder, denen man sich überlassen muss wie einem Sog, der unvermeidlich auf den Abgrund zustrudelt. Belgrano Rawson, 1943 in Patagonien geboren und mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet, erzählt unspektakulär, lakonisch, ohne zu werten, wodurch die grausame Schönheit der patagonischen Natur und die Unbarmherzigkeit der Lebensumstände noch betont werden. Die Geschichte basiert auf tatsächlichen Begebenheiten und wirklichen Personen.