Das Ergebnis der Nachwahlen vom 1. April in Burma stärkt die Hoffnung auf einen demokratischen Neubeginn in dem Land, das noch bis vor kurzem eine der schlimmsten Diktaturen der Welt war.
Wohl selten zuvor erregten Parlamentsnachwahlen, obendrein in einem der ärmsten Länder des Südens, derart großes internationales Interesse wie die jüngsten Nachwahlen in Burma. Doch obwohl der überragende Sieg von Aung San Suu Kyis National League for Democracy (NLD) die Machtverhältnisse im Parlament nicht wesentlich ändert, sind die Wahlen aus mehreren Gründen ein Meilenstein in Burmas jüngerer Geschichte.
Ein Jahr nach Antritt der neuen Regierung unter dem zivilen Präsident Thein Sein gelten die Nachwahlen als wichtiger Test dafür, wie ernst es den neuen alten Herrschern mit dem Demokratisierungsprozess tatsächlich ist. Für Suu Kyi und ihre NLD war es die erste Chance nach 1990, wieder an demokratischen Wahlen teilzunehmen. Die Nachwahlen waren nötig, da 48 Parlamentssitze von Abgeordneten frei wurden, die ins Kabinett gewechselt waren.
Wie erwartet konnte sich die Oppositionsführerin nach intensiver Wahlkampftour ohne Schwierigkeiten einen Platz im Parlament sichern. Damit wird sie erstmals in ihrer langen politischen Karriere, die sie überwiegend unter Hausarrest verbrachte, ein offizielles Amt bekleiden. Eine Sensation in einem Land, das vor einem Jahr noch das Musterbeispiel einer brutalen Militärdiktatur war. Insgesamt konnte die NLD 43 der 44 Sitze für sich gewinnen, um die sie gekämpft hatte (in einem Wahlbezirk verlor die NLD gegen eine ethnische Partei). Aung San Suu Kyi selbst sprach von einem „Wahltriumph des Volkes“ und dem „Beginn einer neuen Ära“. Auch Präsident Thein Sein begrüßte das Wahlergebnis.
Obwohl die NLD zuvor bezweifelte, dass die Wahlen „fair und frei“ ablaufen würden, berichteten kurzfristig eingeladene unabhängige WahlbeobachterInnen nur von kleineren Unregelmäßigkeiten, etwa von fehlerhaften Wählerlisten. Aber alles andere als ein geregelter und transparenter Ablauf der Nachwahlen wäre ein schwerer Rückschlag für Präsident Thein Seins „Perestroika“ gewesen. Überschattet wurde der erfreuliche Wahltag von den anhaltenden bewaffneten Konflikten zwischen der Kachin Independence Army (KIA) und Regierungstruppen im Kachin State. Zehntausende ZivilistInnen harren weiter in Flüchtlingscamps unter widrigsten Bedingungen aus und warten auf ein Ende der Kampfhandlungen. Während es der Regierung in den letzten Monaten gelang, mit zahlreichen anderen ethnischen Gruppen erste Waffenstillstandsvereinbarungen auszuhandeln, blieben die Verhandlungen mit der KIA bislang erfolglos. Mit Hinweis auf die angespannte Sicherheitslage verschob die Regierung kurzerhand die Nachwahlen für die drei vakanten Sitze im Kachin State auf unbestimmte Zeit.
Auch nach den Wahlen vom ersten April bleibt das Parlament fest in der Hand des Militärs und der militärnahen Partei USDP. Nichtsdestotrotz bedeutet der Einzug Aung San Suu Kyis für das Parlament eine enorme Aufwertung und Legitimierung. Im vergangenen Jahr entwickelte sich das Parlament als dynamischer Schauplatz des sich öffnenden Landes, wurde international aber weitgehend ignoriert. Bei der nächsten geplanten Sitzung des Parlaments voraussichtlich im Mai wird die NLD nach der Regierungspartei die größte Partei – allerdings in Opposition – sein.
Obwohl Aung San Suu Kyi als einfache Abgeordnete nur einen sehr begrenzten Handlungsspielraum hat, wird sie sich nicht das Wort verbieten lassen. Sie kann eine wichtige Kontrollfunktion übernehmen und nach Möglichkeit auf weitere demokratische Reformen drängen. „Aung San Suu Kyi kann im Parlament mitwirken, neue Gesetze zu beschließen und alte Gesetze abzuschaffen“, so ein lokaler Journalist. „Mit ihrem Charisma und ihrer Macht wird ihre Stimme überall gehört werden, wohin sie auch geht.“ Spekulationen, dass Suu Kyi einen Ministerposten übernehmen könnte, haben sich noch nicht konkretisiert.
Im Wahlkampf hatte die NLD vor allem große Themen wie Rechtsstaatlichkeit, die Lösung der ethnischen Konflikte und eine angestrebte Verfassungsänderung thematisiert. Im Parlament wird sie sich auch mit alltäglicheren Themen auseinandersetzen und konkrete Politikvorschläge vorlegen müssen. Die angestrebte Verfassungsänderung wird nur mit Zustimmung der Armee möglich sein, die jedoch über eine Sperrminorität im Parlament verfügt. Es bleibt fraglich, ob das Militär bereit ist, sich weiter aus seiner Machtposition zurückzuziehen, wie von Suu Kyi gefordert.
Trotz Anerkennung der Reformen und abgesehen von Besuchen hochrangiger Politiker und ersten Lockerungen der Sanktionen gaben sich EU und USA in ihren Reaktionen bisher relativ zögerlich. Mit den erfolgreich abgehaltenen Nachwahlen dürfte der Weg für eine weitere Normalisierung der Beziehungen und die Aufhebung der Sanktionen nun frei sein.
Rainer Einzenberger ist seit Jänner 2010 Programmkoordinator des Myanmar/Burma-Programms im Südostasien-Regionalbüro der Heinrich Böll-Stiftung in Bangkok.
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