Der Aufstieg des Südens

Von Redaktion · · 2009/02

Es gibt einen zwingenden globalen und strategischen Grund, warum sich der neue US-Präsident mehr um den Süden wird kümmern müssen, meint Heinz Gärtner.

Im Süden wurden große Hoffnungen in Barack Obamas Wahl zum US-Präsidenten gesetzt, hat er doch familiäre Wurzeln in Kenia. Obama hat bisher verschiedene Einzelinitiativen vorgeschlagen. Schlaglichter sind sichtbar: Die „Millennium-Entwicklungsziele“ sollen diejenigen der Vereinigten Staaten werden. Die US-amerikanische Entwicklungshilfe soll bis 2012 von 25 auf 50 Milliarden US-Dollar verdoppelt werden. Damit verbunden ist die Erhöhung von Fonds zur Bekämpfung von HIV, TBC und Malaria. Gesundheits-, Umwelt- und Erziehungsprogramme sollen ausgeweitet werden. Sie konzentrieren sich vor allem auf medizinische Versorgung von Müttern und Kindern, reines Wasser und Kanalisation. Die Chancen von kleinen und mittleren Unternehmen sollen verbessert werden. Diese lobenswerten Vorschläge müssen noch in ein entwicklungspolitisches Konzept gegossen werden. Als die größten Feinde hat die designierte Außenministerin Hillary Clinton bei ihrer Anhörung vor dem Senat mit den Worten von George Marshall „Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos“ bezeichnet.
Konturen sind jedoch in einem anderen Bereich sichtbarer. Die Administration Bush hatte sich acht Jahre lang geweigert, sich entscheidend am „Nation-building“ von kriegszerstörten und funktionsgestörten Staaten zu beteiligen. Es geht hier um Hilfestellung beim Aufbau von zivilen Strukturen, einer funktionierenden Verwaltung und Polizei und letztlich eines legitimen Gewaltmonopols des Staates. Die Bush-Regierung hat fast ausschließlich die Kompetenzen des Militärs ausgeweitet.
Die Mittel, die das Pentagon und die Nachrichtendienste für nationale Sicherheit und auswärtige Angelegenheiten ausgegeben haben, betragen 99 Cents von einem Dollar, während gerade ein Cent für Diplomatie und Auslandshilfe aufgewendet wurde. Das Verteidigungsministerium beschäftigt etwa vier Millionen Personen, das Außenministerium 12.000. „Nation-building“, Stabilisierung und Wiederaufbau, wird primär eine Aufgabe von zivilen Behörden sein, wie des „State Department“ oder der „U.S. Agency for International Development“ (USAID). Die zukünftige Außenministerin Hillary Clinton hat sich für die Stärkung dieser Agentur ausgesprochen und wird das auch bei den Budgetverhandlungen beweisen müssen.

Die Außenpolitik Obamas in Afrika umfasst politische, sicherheitspolitische, wirtschaftliche und humanitäre Ziele: Schwache Staaten dürfen nicht Nährboden für den Terrorismus werden. Die natürlichen Ressourcen des Kontinents sollen von den afrikanischen Ländern selbst genutzt werden. Der Krieg im Kongo muss gestoppt, die Tyrannei in Simbabwe beendet sowie die Demokratie in Südafrika und Ghana gefördert werden.
Besonderes Augenmerk wird die Administration Obama der menschlichen Tragödie in Darfur schenken, wie UN-Botschafterin Susan Rice bei ihrer Anhörung vor dem Senat betonte. Das US-Afrikakommando „Africom“ soll nicht nur den Terrorismus bekämpfen, sondern auch Gesundheitsprogramme in Afrika fördern sowie die Verbesserung der Infrastruktur und Versorgung unterstützen.
Der US-Politologe Parag Khanna diagnostiziert aktuell den Aufstieg der Zweiten Welt. Das ist die Welt, die zwischen den großen Mächten USA und Europa liegt. Sie ist unterschiedlich entwickelt, heterogen und die Länder haben unterschiedliche Interessen. Die großen Mächte werden nur erfolgreich sein, wenn sie diese Länder bei ihrer Außenpolitik berücksichtigen und auch Partnerschaften mit ihnen eingehen. China, Indien, Brasilien und Indonesien tragen am meisten zum Wachstum der Weltwirtschaft bei. Es bedarf eines klugen Engagements in den jeweiligen Regionen.
China ist der stärkste Akteur dieser Gruppe. Obama ist aber auch mit einem erstarkten Lateinamerika konfrontiert. Hillary Clinton erklärte, dass die USA zu einer „Politik des dynamischen Engagements“ in Lateinamerika zurückkehren würden. Beim Amerika-Gipfel im April 2009 könnte Obama auch mit Hugo Chávez zusammentreffen. Sowohl der Präsident als auch die Außenministerin haben sich für die Erleichterung von Transitbeschränkungen gegenüber Kuba ausgesprochen. Als Gegenleistung müsse Kuba politische Gefangene freilassen.

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass wir es nicht mehr nur mit wenigen internationalen Akteuren zu tun haben. Die größten Industrienationen G-7 sind zu G-20 geworden, die nach gemeinsamen Lösungen suchen. Im April wird das nächste Treffen der G-20 in London stattfinden. Die USA selbst sind finanziell stark abhängig geworden von China und den Golfstaaten. China wiederum geht mit Saudi-Arabien eine strategische Partnerschaft ein.
Obama sieht eine Öffnung von internationalen Institutionen und Entscheidungsmechanismen im Austausch für Kooperation im Finanz-, Handels-, Energie- und Umweltbereich vor. China und Indien könnten etwa zusagen, den Ausstoß an Kohlendioxyd zu reduzieren, wenn sie mehr Stimmen im Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank bekommen (derzeit hat China weniger als die Stimmen Belgiens und der Niederlande). Ein Beispiel für internationale Kooperation zur Herstellung umweltfreundlicher Produkte ist die „Asian-Pacific Partnership for Clean Energy“, die von den USA, China und Indien finanziert und verwaltet wird.
Die Ära der Unipolarität ist zu Ende. Es gibt viele staatliche, regionale, kontinentale und nichtstaatliche Akteure, die für die künftige Gestaltung der Welt mitverantwortlich sind.

Heinz Gärtner ist Professor am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) und Autor des Buches: „Obama: Weltmacht, was nun?“ (siehe Rezension S. 46.)

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