Dass Menschen verschieden sind, ist eine Binsenweisheit. Dass sie sich umso mehr unterscheiden, je weiter ihre Herkunftskulturen voneinander entfernt sind, weiß der gesunde Hausverstand. Doch so einfach ist das nicht. Fremd ist nicht ein Wort, das schlicht auf geographische Entfernung hinweist. Fremdheit ist ein Konstrukt, das auf alle Nicht-Angepassten angewandt wird. Das Verhältnis zum Fremden ist in erster Linie ein Macht- und Verteidigungsverhältnis, so als ob vom Fremden nur Zerstörung drohen könnte.
Wir werden nicht als Fremde geboren, wir werden zu Fremden gemacht. Überall, wo sich Kulturen mischen, gibt es die Phänomene der Fremdenangst und der Abwehr des als „fremd“ Wahrgenommenen. Aber überall gibt es auch Frauen und Männer, die nicht vor Angst gelähmt sind, sondern – trotz ihrer Herkunft aus verschiedenen Kulturen – aufeinander zugehen, sich ineinander verlieben, Partnerschaften miteinander eingehen, Ehen schließen und Familien gründen. Interkulturelle Paare, die tagtäglich eine „kreolisierte Beziehungskultur“ aus den Bruchstücken alter Traditionen neu erfinden, sind Pioniere des kulturellen Fortschritts. Aber wie unsere Untersuchung* gezeigt hat, haben sie es schwer. Die Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit erleben sie in alltäglicher Kommunikation, aber auch in der Form der strukturellen Fremdenfeindlichkeit, d.h. dass Behörden fremdenfeindliche Vorschriften exekutieren.
Kostproben aus Interviews mit interkulturellen Paaren:
Seit ich mit einem Ausländer verheiratet bin, bin ich selbst zur Ausländerin geworden.
(Österreichische Gattin eines Ägypters)
Hier in Österreich lebe ich als Mensch und als Frau sehr gut. Und ich genieße alle Vorteile… Aber eine gewisse Leere ist in mir. Denn hier werde ich nicht gebraucht. Und ich hätte so viel zu erzählen.
(Perserin)
Du verlierst hier schon vieles. Du siehst dich selber nicht mehr als einen Schwarzen, du siehst dich als einen Weißen. Die Leute zwingen dich, so viele Dinge zu machen. Nicht deine Frau zwingt dich, aber das Land, die Situation zwingt dich, anders zu leben. (Ghanaer)
Wer eine interkulturelle Partnerschaft eingehen möchte, hat es allein wegen der hier beschriebenen Mechanismen des Fremdmachens nicht leicht. Doch es gibt auch Probleme, die mit der unterschiedlichen kulturellen Prägung der beiden Partner zu tun haben. Sie lassen sich, im Unterschied zu den von der Gesellschaft errichteten Barrieren, eher durch intensive Gespräche zwischen den Partnern und durch eingehende Auseinandersetzung mit der kulturellen Biographie des jeweils anderen bearbeiten. Ein paar Hinweise auf Problemfelder können helfen:
1. Die Liebe ist eine Himmelsmacht – in der europäischen Romantik. Aber längst nicht in allen Kulturen: „Ich bin nicht romantisch, und ich bin nicht sentimental, deshalb rede ich nicht von Liebe, Liebe, Liebe. Für mich ist das einfach ein blödes Wort. Ich rede vom Heiraten, von Respekt, Vertrauen und Verantwortung, davon rede ich.“
(Nigerianer, mit einer Österreicherin liiert)
2. Die erlernte Geschlechtsrolle unterscheidet sich oft von der Rollenerwartung des anderen Partners/der anderen Partnerin: „Ich finde, man muss es dem Ehepartner zeigen, dass man eine Unterstützung braucht. Und das war vielleicht der Fehler, dass ich das früher nicht gemacht habe, weil man sich gedacht hat wie eine Heldin: ‚Ja, ich bin die Superfrau! Ich schaffe alles.‘“
(Polin, mit einem Österreicher
verheiratet)
3. Der unterschiedliche Umgang mit Geld erzeugt sehr oft Probleme. Herkunftsfamilien in Afrika oder Asien erwarten sich, dass „ihr“ Verwandter regelmäßig Geld nach Hause schickt. „Meine Eltern zum Beispiel haben mich in die Schule geschickt. Und natürlich erwarten sie sehr viel von mir. Und natürlich muss ich immer Geld schicken, als Bezahlung, oder… Wenn man eine Tochter hat, die im Ausland ist, dann erwartet man sehr viel.“
(Philippinin, mit einem Österreicher verheiratet)
4. Ein kleiner Tipp: Vor dem Heiraten selbst draufkommen, wie es sich in der Herkunftskultur der Partnerin/des Partners lebt: „Also, ich tät sagen, wenn du sie liebst, dann fahre zuerst mit ihr zu ihren Eltern und wohne dort zwei Wochen. Und wenn du das aushältst und das tolerieren und akzeptieren kannst, ja, dann heirate!“
(Österreichischer Partner einer Philippinin)
*Larcher, Dietmar, unter Mitarbeit von Petrus¡ka Krc¡marova, Ruth Krc¡mar und Gerti Schmutzer:
Die Liebe in den Zeiten der Globalisierung.
Konstruktion und Dekonstruktion von Fremdheit in interkulturellen Paarbeziehungen.
Drava Verlag, Klagenfurt 2000.