CSR umfasst mehr als nur die in der österreichischen NGO-Szene heftig geführte Diskussion um Verhaltenskodizes. Im Folgenden Beispiele einer in Österreich noch wenig bekannten Form von gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen, Corporate Volunteering. Damit bezeichnet man die Unterstützung von sozialen Einrichtungen durch Mitarbeit.
Marion Giering arbeitet in Berlin bei „Gangway“ mit, einem Verein für Jugendstreetwork. Gordon Schmidt vom Sportartikelhersteller Nike gibt dort russischen Aussiedlern Volleyballtraining. „Die Kinder haben eine zusätzliche Bezugsperson, was unsere Arbeit gewaltig entlastet“, sagt sie. Und die Jugendlichen konnten nach einigen Trainingsstunden sogar an einem Turnier teilnehmen: „Ein Erfolgserlebnis, das sie mit uns als Trainern nicht gehabt hätten.“ Die Nike-Verkäufer seien eben vom Fach.
Umgekehrt hat Gordon Schmidt die Arbeit der Sozialpädagogen schätzen gelernt. „Da muss man schon was draufhaben. Ich wusste vorher gar nicht, wie wichtig dieser Job ist.“ Auch ihm hat der freiwillige Einsatz etwas gebracht: „Als ich merkte, dass das Training ankommt, hat mir das Selbstbewusstsein gegeben.“
Die Honorierung bei Corporate Volunteering ist unterschiedlich, sie kann von Ehrungen durch die Firma bis zu voller Anrechnung der Arbeitszeit reichen.
Etwas Ähnliches sind so genannte Secondments, die in der Schweiz und Deutschland schon seit mehreren Jahren erfolgreich laufen. Thomas Krivachy, der sich als Abteilungsleiter bei Siemens in München normalerweise mit dem Thema Datensicherheit beschäftigt, verbrachte eine Woche in der Bahnhofsmission: schmierte Brote, kochte Tee, half Blinden beim Umsteigen und schob Nachtschicht. Bange war ihm schon vor der „fremden Welt“. Doch die Erfahrung, dass er sich dort schon rasch sicher bewegte, stimmt ihn zuversichtlich, auch Veränderungen im Beruf bewältigen zu können. Alle drei Wochen nimmt sich der 58-Jährige einen Abend Zeit, um in der Bahnhofsmission zu helfen.
Secondments sind eigentlich Weiterbildungsprogramme, also volle Arbeitszeit; die sozialen Einrichtungen bekommen eine Abgeltung.
Die Führungskräfte berichten, dass sie von den Profis in den Sozialeinrichtungen vor allem gelernt haben, mit Menschen in jeder Situation respektvoll und achtsam umzugehen. Für viele bedeutet dies, dass sie selbst auch in kritischen Situationen, wenn sie bei MitarbeiterInnen durchgreifen müssen, ihr Gegenüber in seiner Würde respektieren, versuchen, objektiv zu bleiben und weniger schnell zu urteilen.
Seit letztem Jahr gibt es solche Angebote auch in Vorarlberg, gemeinsam mit der Landesregierung, der Industriellenvereinigung und der Unternehmensberatung ZSE. Egon Helbock von der Hypo Landesbank berichtet über das Weiterbildungprojekt „Brückenschlag“: „Insbesondere fällt es mir nun leichter, auf Personen zuzugehen. Ich glaube auch, nach dieser Woche mehr Verständnis, Wertschätzung und Mitgefühl im Umgang mit sozial auffälligen Personen zu haben. Ich konnte mich davon überzeugen, dass das Führungsteam (der Sozialeinrichtung; Anm.) mit hohem Engagement und großer Professionalität an seine Aufgaben herangeht.“ Auch Egidius Bischofsberger von der Vorarlberger Kraftwerk AG meint, dass Führungskräfte aus der Wirtschaft von einer solchen Erfahrung profitieren können. „Die Wirtschaft hat auch für diese (schwächeren) Bürger Verantwortung und ist gefordert!“
Wechselseitiger Lernprozess: Die Einrichtungen von gemeinnützigen Organisationen profitieren von diesem Austausch, bekommen neue Impulse und kritisches Feedback sowie Tipps, sich und ihre Produkte besser zu vermarkten. „Wir wurden aber auch bestätigt. Für uns ist dies in einer Zeit, in der von sozialen Institutionen unternehmerisches Denken und effizientes Handeln gefordert wird, ein erfreulicher Fingerzeig dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ (Karl Müller, Stiftung Contact, Bern)
Ein entscheidender Unterschied von Corporate Volunteering (Zeitspenden) zu klassischen Geldspenden bzw. Sponsoring ist die Qualität der Beziehung durch die unmittelbare Begegnung. Wie schon erwähnt, berichten beide Seiten von gegenseitigem Respekt, voneinander Lernen und meist langfristigen, stabilen Partnerschaften. Diese können auch zu so genannten pro-bono Projekten führen, wo nicht nur Zeit, sondern auch Know-how und Kompetenz bzw. Infrastruktur bereitgestellt wird, wie dies die Unternehmensberatung McKinsey für die deutsche Tafelbewegung (Lebensmittelsammeln für bedürftige MitbürgerInnen) oder das rumänische Kinderdorf in Poiana Soarelui tut.
Solche Kooperationsbeispiele müssen sich nicht auf den Standort beschränken, sondern sind auch global möglich und damit für die entwicklungspolitische Szene interessant. Dazu wieder ein Beispiel aus dem Ländle, von der Fa. Omicron, einem global tätigen Unternehmen für Messtechnik, welches ein Prozent (!) des Umsatzes für Ausbildungsprojekte in Ländern des Südens ausgibt. In Kooperation mit Horizont3000 unterstützt die Vorarlberger Firma seit Sommer 2000 ein Projekt gegen Kinderarbeit im Nordosten Brasiliens. „Sich einer gemeinsamen ‚guten Sache‘ zu widmen, ist dem sozialen Klima im Team äußerst zuträglich! Hier geht es nicht um Wettbewerb und Leistung, sondern um eine gemeinsame soziale Verantwortung und um Integrität“, hat Omicron-Geschäftsführer Martin Pfanner erfahren.
Beide Partner haben noch einen weiteren Nutzen für sich selbst gezogen: NGO und Unternehmen lernen in der Zusammenarbeit voneinander und setzen wechselseitige Impulse zur Erneuerung überholter Denkmuster und Konzepte.
Als die Aktivistin Dita Sari, die u.a. auch gegen Produktionsstätten von Reebok Demonstrationen organisierte, in Indonesien festgenommen wurde, schrieb Paul Fireman, CEO von Reebok, einen Brief an den damaligen indonesischen Präsidenten, in dem er sich für ihre Freilassung einsetzte. Er unterstützte damit eine internationale Kampagne, die schließlich erfolgreich war. Reebok ist auch sonst Vorreiter auf dem Gebiet sozialer Verantwortung. Im Dezember 2002 führte der Konzern in einer Fabrik in der chinesischen Provinz Fujian freie Wahlen für ArbeiterInnenvertretungen durch – mit Genehmigung der lokalen Behörden.
Für einen fruchtbaren Dialog gilt es aber manchmal noch tiefe Gräben zu überwinden. „Die Vorurteile sitzen tief: NGOs sehen häufig nicht, dass transnationale Unternehmen bereits positive Beiträge zur Entwicklung liefern. Unternehmen hingegen nehmen Ungerechtigkeiten, Armut und ökologische Zerstörung oft als gegeben hin. Gerade um diese Gräben zu überwinden, sind Initiativen wie der Stakeholder Dialog der CSR Austria Initiative, in der das Thema CSR mit allen Anspruchsgruppen diskutiert wird, besonders wichtig“, urteilt Karl Resel vom Österreichischen Institut für Nachhaltigkeit.
Allerdings stellt sich immer wieder die Frage des Verhältnisses zwischen den einzelnen Projekten und dem, was Unternehmen in ihrem alltäglichen Geschäft tun bzw. den Auswirkungen ihrer Geschäftspolitik. Wir stehen da wohl an einem ähnlichen Punkt wie die Umweltbewegung Anfang der 1970er Jahre. Damals waren die ersten Reaktionen der Unternehmen, Bäume zu pflanzen und Wälder zu säubern. Den wirklichen Umschwung brachte erst das Konzept der Clean Technologie, also zum Beispiel Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen, Energie und Abfall sparende Produktionsprozesse usw., und die Gesamterfassung von Belastungen durch Umweltbilanzen, Stoffstrommanagement und Umweltverträglichkeitsprüfungen. Umgelegt auf den Sozialbereich hieße das: Erfassen aller Bereiche und Tätigkeiten, deren Auswirkungen und die Bewertung. Hier gibt es noch viel zu tun für die NGOs, die etablierten sozialpolitischen Institutionen (AK, ÖGB) und im speziellen die Wissenschaft.
Abschließend sei noch an einen schönen Satz von Berthold Brecht erinnert: „Ein Mann, der Herrn Keuner lange nicht gesehen hatte, begrüßte diesen mit den Worten: ‚Sie haben sich aber gar nicht verändert!‘ ‚Oh!‘, sagte Herr Keuner und erbleichte.“