Roman. Aus dem Englischen von Judith Schwab. Luchterhand Literaturverlag, 2007, 640 Seiten, EUR 22,95
Eine halbe, aufgehende Sonne auf rot, schwarz und grün gestreiftem Hintergrund – unter dieser Flagge erklärte der mehrheitlich von Igbo bevölkerte südöstliche Teil von Nigeria sich 1967 zur unabhängigen Nation Biafra. Drei Jahre und einen verheerenden Krieg später, in dem die Zivilbevölkerung systematisch ausgehungert wurde, war die Sonne gesunken, hatte die nigerianische Regierung wieder Oberhand über die erdölreiche Region. Auf einen kurzen Boom an Kriegs- und Aufarbeitungsliteratur folgten Jahre des Schweigens und Verdrängens. Umso überraschender und kraftvoller kommt nun dieses 600-Seiten-Epos einer 29-jährigen Autorin, deren beide Großväter den Krieg nicht überlebt hatten.
Adichie baut den sorgfältig konstruierten Roman um ein Zwillingsschwesternpaar – Töchter neureicher Eltern – , ihre Männer und einen Jungen, „Houseboy“ im linksintellektuellen Haushalt der einen Schwester und ihres Mannes auf. Durch Wechsel der Perspektiven und das Wechseln zwischen zwei Zeitebenen – den frühen und den späten 1960ern – gelingt es ihr, ein breites, postkoloniales Gesellschaftspanorama zu entwerfen und den Krieg von innen, von den Schicksalen ihrer Figuren her, zu erzählen. Historisch lässt sie dabei nichts aus: Weder den ersten Militärputsch in Nigeria und die darauf folgenden Pogrome gegen Igbo in Nordnigeria, noch die anfängliche Begeisterung für Biafra. Die Verantwortung der Briten für das Auseinanderbrechen des staatlichen Gebildes und das Mitmischen weißer Söldner auf beiden Seiten sind ebenso Thema wie die massive Kriegspropaganda, Zwangsrekrutierungen, sexuelle Gewalt, der von Händlerinnen organisierte „attack trade“ und schließlich der tödliche Hunger, dessen mediale Bilder im Westen den Begriff von Biafra prägten.
Ein solider, fesselnder Roman, der Geschichte komplex zu vermitteln weiß.