Auf dem Prüfstand

Von Claudia Bonk · · 2002/09

Ist die im so genannten BOND-Bericht 1) geäußerte Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit der EU berechtigt? Diese Frage 2) stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und der Expertin für EU-Entwicklungspolitik, Claudia Bonk.

Der im so genannten BOND-Bericht geäußerten Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit der EU kann ich in vielen Punkten zustimmen. Der BOND-Report spricht Probleme an, die sich aus dem multilateralen Ansatz der Europäischen Entwicklungspolitik ergeben. Hier ist Österreich seit jeher für eine Stärkung des Gemeinschaftsansatzes und damit der Europäischen Kommission (EK) eingetreten, weil diese als supranationale Einrichtung Entwicklungspolitik von nationalen Partikularinteressen unbeeinflusster und damit objektiver betreiben kann.
In der Diskussion über die Reform der Außenhilfe tritt Österreich daher dafür ein, dass die politische Verantwortung der EK bei einer allfälligen Neuaufteilung der Zuständigkeiten für die Außenbeziehungen keinesfalls verringert, sondern gestärkt wird. Es ist wichtig, dass die Kommission im Rahmen der Entwicklungspolitik über entsprechende Ressourcen zur entwicklungspolitischen Reflexion, Analyse und Konzeption verfügt.
Die Millenniumsziele setzen uns in der Entwicklungsarbeit eindeutige Vorgaben. Die Erklärung des Rates und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft vom November 2000 hält fest, dass das wichtigste Ziel der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft die Beseitigung der Armut ist. Armutsbekämpfung darf jedoch nicht symptombezogen erfolgen, sondern muss das Übel an der Wurzel packen. Meiner Meinung nach greift hier der BOND-Report in seiner Analyse etwas zu kurz.

Entwicklungspolitik ist integraler Teil einer global ausgerichteten Strukturpolitik. Die entwicklungsstrategischen Ziele der EU, Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung, müssen daher in einen umfassenden kohärenten Rahmen der nationalen und europäischen Politiken wie Krisenprävention und Konfliktmanagement sowie Umweltschutz und Integration in die Weltwirtschaft eingebaut sein. Und dem derzeit primär länderbezogenen Ansatz der europäischen Entwicklungshilfe sollte deshalb auch stärker als bisher, wie auch im Cotonou-Abkommen postuliert, ein regional definierter Strategie-Ansatz folgen.
Die Außen- und Entwicklungshilfe der EU, die mit unterschiedlichsten Mitteln und Maßnahmen gleichzeitig von der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und im Rahmen der Union betrieben wird, ist kein von den anderen Aspekten der Außenbeziehungen und vom globalen und regionalen politischen Umfeld losgelöster Politikbereich, sondern ein integraler Bestandteil der Rolle der Union als ‚global player‘. Hand in Hand mit einer verstärkt europäischen Außen- und Sicherheitspolitik bedarf es – da stimme ich dem BOND-Report voll zu – auch einer weiteren „Europäisierung“ der europäischen Entwicklungspolitik. Benita Ferrero-Waldner


Die EU wird nicht nur von unabhängigen ExpertInnen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aufgrund mangelnder Armutsorientierung ihrer Entwicklungszusammenarbeit (EZA) kritisiert. Gleich geartete Kritik muss sie auch von Mitgliedstaaten, EU-ParlamentarierInnen, Kommissionsmitgliedern und sogar vom einzig offiziell anerkannten Kritikerzirkel, dem Development Assistance Committee (DAC) der OECD gefallen lassen.
Alle Zahlen im BOND-Bericht beruhen auf dem neusten Prüfbericht des DAC und bieten damit eine solide Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem selbst formulierten EU-Ziel der Armutsausrottung.
Der große Unterschied zwischen der BOND-Veröffentlichung und dem Bericht des DAC besteht darin, dass BOND Autorin Miriam v. Reisen die Dominanz außenpolitischer und wirtschaftlicher Interessen über die EZA unterstellt und damit mangelnden Willen zur Armutsbekämpfung der EU konstatiert, während die DAC-Prüfung die Armutsorientierung zwar wiederholt kritisiert, die EU aber auf dem richtigen Weg sieht.

Es gibt seit November 2000 ein Policy Statement der EU, in dem die Armutsausrottung zum Oberziel aller EU-Anstrengungen im Bereich der EZA erklärt wurde. Doch anhand der vorhandenen Zahlen lässt sich, laut BOND weder geographisch noch sektoriell, der Wille zur Hilfe für die Ärmsten und zur Armutsausrottung nachweisen.
Auch fehlt noch immer die Einlösung der lang versprochenen 0,7% des BIP für die EZA in den Budgets der meisten Mitgliedstaaten.
Und wirft man einen Blick auf andere Politikbereiche der EU, wie Agrar-, Fischerei- oder Handelspolitik, die nachgewiesenermaßen die Märkte und Einkommensquellen der Entwicklungsländer und ihrer EinwohnerInnen schädigen, dann wundert man sich über die Existenz des Artikels 178 im Vertrag von Amsterdam, der die Gemeinschaft eigentlich verpflichtet, die Armutsbekämpfung bei den von ihr verfolgten anderen Politiken, „welche die Entwicklungsländer berühren können“, zu berücksichtigen. Die Einhaltung dieses Artikels ist unwahrscheinlich, geht man in Brüssel doch sogar schon davon aus, dass in der nächsten Kommission ein/e Kommissar/in für Entwicklung keinen Platz mehr hat.
Laut BOND-Bericht sind die Probleme bekannt, die rechtlichen Voraussetzungen vorhanden und Vorschläge zur besseren Umsetzung existieren. Es scheint am politischen Willen zu liegen. Claudia Bonk


1) In diesem Bericht wirft das britische NGO-Netzwerk BOND der EU-Kommission und dem Ministerrat schwere Versäumnisse bei der Armutsbekämpfung vor, fordert eine Abkehr von der wachsenden Instrumentalisierung der EU-Entwicklungspolitik durch außenpolitische und außenwirtschaftliche Interessen und schlägt konkrete Reformschritte und Zeitpläne für den EU-Beitrag zur Erreichung der 2015-Ziele zur Armutsbekämpfung vor (siehe auch SÜDWIND-Magazin 7-8/2002, Seite 9).
Vollständiger Text und deutsche Übersetzung: www.oneworld.at/agez
2) An dieser Stelle im SÜDWIND-Magazin werden aktuelle entwicklungspolitisch relevante Fragen gestellt. Antworten geben die politisch für Entwicklungszusammenarbeit
verantwortliche Außenministerin Ferrero-Waldner sowie vom SÜDWIND eingeladene ExpertInnen.

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