Die Stabilisierung afrikanischer Staaten wird zur Priorität beim internationalen „Kampf gegen den Terror“. Das beinhaltet zwar ein längst überfälliges entwicklungspolitisches Engagement. Dass der Kontinent tatsächlich stabiler wird, darf aber bezweifelt werden.
Von den 22 Top-Terroristen der Al Qaida auf der Fahndungsliste des FBI zu Beginn der US-Angriffe auf Afghanistan im vergangenen Oktober stammen zwölf aus Afrika: Sieben aus Ägypten, zwei aus Kenia, je einer aus Libyen, Tansania und den Komoren. Sie alle hatten Verbindungen zu den Bombenanschlägen auf die US-Botschaftsgebäude in Kenia und Tansania am 7. August 1998, bei denen 224 Menschen starben und für die Usama bin Laden verantwortlich gemacht wurde. Radikale ägyptische Islamisten gelten als wesentlicher Teil des internationalen Apparats von Al Qaida. Ägypten ist ein wichtiger politischer und ökonomischer Akteur in Afrika, vor allem in den Nilanrainerstaaten und am Horn.
Angesichts all dessen ergaben sich für die USA und ihre Verbündeten zwei Handlungsoptionen. Die eine war die, Afrika als Sicherheitsproblem zu behandeln und eine Strategie des „containment“, der Eindämmung, zu fahren. Dies hat das Handeln der USA auf dem Kontinent bestimmt. Die andere bestand darin, Afrika als Nährboden für Unzufriedenheit zu betrachten und dem entwicklungspolitisch zu begegnen. Dies ist der Zugang Großbritanniens, nebenbei der engste Verbündete der USA in Europa.
Die USA lassen sich in ihrer Politik gegenüber Afrika im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ von dem Ziel leiten, dass es auf der Welt keinen „Unterschlupf“ für Terroristen mehr geben darf. Ihre erste Sorge gilt dabei Somalia, dem klassischen „gescheiterten Staat“ in Afrika, der seit 1991 keine handlungsfähige Regierung mehr hat und dessen Milizen 1993 US-Eingreiftruppen in die Flucht schlugen. Somalias Küste ist von Mittelasien aus einfach zu erreichen. Daher patrouillieren seit einigen Monaten US-Kriegsschiffe im Meer vor Somalia und durchsuchen den Frachtverkehr, unterstützt von Frankreich und Deutschland.
Eine weitergehende Überlegung bestand letztes Jahr darin, in Somalia direkt zur Beendigung des staatenlosen Zustands militärisch aktiv zu werden. Doch ist dieses Szenario inzwischen unwahrscheinlich geworden. Zu offensichtlich ist die Gefahr, dass das Horn von Afrika dadurch eher instabiler werden könnte. Außerdem besteht ein objektiver Gegensatz zwischen den Interessen der USA und denen ihrer engsten regionalen Verbündeten Äthiopien und Kenia: Letztere wollen kein starkes, geeintes Somalia, weil der somalische Nationalismus territoriale Ansprüche an äthiopisches und kenianisches Staatsgebiet enthält. Die USA aber brauchen in Somalia eine handlungsfähige Regierung, die ihr Territorium kontrolliert. So richtet sich die US-Strategie jetzt eher auf die Stärkung der bestehenden somalischen Machtzentren.
Um Zustände von Staatenlosigkeit dauerhaft zu beenden, ist aber mehr erforderlich als geopolitisches Taktieren. Nicht nur Somalia, auch Länder wie die Demokratische Republik Kongo, Sierra Leone, die Zentralafrikanische Republik, Guinea, Sudan (siehe Artikel auf Seite 14) und andere sind derzeit chronisch instabil und entziehen sich zum Teil der Kontrolle ihrer Regierungen. Dieser Zustand scheint vor allem rohstoffreiche afrikanische Länder zu betreffen, die eine Anziehung auf halblegale Geschäftsnetzwerke ausüben.
Al Qaida sind Verbindungen zum Mineralienhandel in Sierra Leone (Diamanten) und Kongo nachgesagt worden. Eine Politik, die diese Problematik behandelt, muss über sicherheitspolitische Belange hinausgehen.
Dies ist eher die Domäne Großbritanniens. Tony Blair hat seine rhetorischen Fähigkeiten und seine Qualitäten als in langen Zeiträumen denkender Politiker dazu genutzt, sich zum wichtigsten Advokaten einer entschlossenen internationalen Anstrengung zum Wiederaufbau Afrikas zu machen. Auf dem nächsten G-8-Gipfel in Kanada im Juni will er dafür verbindliche Zusagen erhalten. Die mächtigen Industrienationen sollen mit Geld und Selbstverpflichtungen die Anstrengungen der afrikanischen Regierungen honorieren, die sich unter Führung der Präsidenten von Algerien, Nigeria, Senegal und Südafrika einen Rahmenplan zur Entwicklung des Kontinents mit dem Titel „Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung“ (NEPAD) gegeben haben.
Die NEPAD wird von Afrikas Staatschefs derzeit als das wichtigste Instrument der Wiedereingliederung des Kontinents in die Weltwirtschaft und die globale Politik gesehen. Sie soll Afrika wieder auf gleiche Augenhöhe mit dem Rest der Welt bringen. Dies gilt als zentraler Teil der Bemühungen, den Kontinent von jenem Zustand zu entfernen, der ihn zum Nährboden für Extremismus und Terrorismus macht.
Algerien, einer der vier Erfinder der NEPAD, sieht sich ohnehin als Vorreiter im Kampf gegen radikale Islamisten: 1991-92 annullierte Algeriens Armee die ersten freien Wahlen des Landes, als die „Islamische Heilsfront“ (FIS) zu siegen drohte, und im nachfolgenden Bürgerkrieg kamen an die 100.000 Menschen ums Leben. Das nordafrikanische Land arbeitet sicherheitspolitisch eng mit Südafrika zusammen. Nigeria hat dank seiner jahrzehntelangen Militärherrschaft eine ebenso starke militaristische Tradition. Nigerias Armee erhält zurzeit US-Hilfe, unter anderem um gegen Milizen in den Ölfördergebieten effektiver vorgehen zu können. Südafrika ist ohnehin der wichtigste Partner des Westens in Afrika. Senegal wiederum agiert in diesem Gespann als politisches Sprachrohr: Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade berief im Oktober 2001 einen afrikanischen Anti-Terror-Gipfel ein, zu dem immerhin 28 Länder Vertreter entsandten.
Die eher autoritäre Art, mit der die genannten Regierungen das Terrorismusproblem behandeln wollen, macht deutlich, dass von afrikanischer Seite nicht die aufgeklärtesten Initiativen zu erwarten sind. Vielmehr wird der „Krieg gegen den Terror“ als Chance gesehen, „starke Staaten“ zu schaffen. Für den finanziellen Beitrag zur ökonomischen Entwicklung und zur Beendigung der Misere der afrikanischen Bevölkerungen ist dann in erster Linie der Rest der Welt zuständig. Die sozialen Verwerfungen, die als Nährboden für Terrorismus gelten, zum Beispiel die durchaus realen Konflikte zwischen christlichen und muslimischen Gemeinschaften in zahlreichen afrikanischen Ländern von Nigeria bis Sudan, werden dabei eher vernachlässigt.
Die Effektivität großzügiger Auslandshilfe für afrikanische Regierungen als Mittel zum Kampf gegen den Terrorismus darf bezweifelt werden. Die meisten Terroristen Afrikas, die der USA gefährlich werden, kommen aus Ägypten, zugleich der größte Empfänger von US-Hilfe in Afrika. Ägyptens Islamisten haben sich deshalb so antiamerikanisch radikalisiert, weil die ägyptische Regierung von Präsident Hosni Mubarak als blind autoritär und bedingungslos US-hörig angesehen wird. Afrikanische Regierungen, die diesen Weg gehen, dürften früher oder später mit ähnlichen Problemen konfrontiert werden.
Schon jetzt ist im Windschatten des „Krieges gegen den Terror“ eine Zunahme autoritärer Regungen quer durch Afrika zu beobachten. Unabhängige Organisationen konstatieren auf kontinentalem Niveau eine Verschlechterung der Menschenrechtslage, eine Zunahme der Angriffe gegen freie Medien und wachsende Missachtung demokratischer Rechte.
Verfassungsänderungen, die den Verbleib langjähriger Präsidenten im Amt ermöglichen, sind in verschiedenen Ländern entweder bereits vollzogen oder in Diskussion – und zwar gerade bei US-Verbündeten wie Guinea, Kenia und Tunesien. Mehr oder weniger offene Wahlmanipulationen werden nicht geahndet, wie in Sambia und Madagaskar. Dies verschlechtert die Lebensumstände afrikanischer Bevölkerungen möglicherweise mehr als ausländische Hilfe sie irgendwann verbessern wird.
Dominic Johnson ist Afrika-Ressortleiter der Berliner Tageszeitung taz.
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