Extremwetter: „Wir brauchen neue Strategien“

Von Jana Donat · ·
Symbolbild: Vertrockneter Boden mit einem kleinen Pflänzchen

Im Jänner wurde Uruguay von Hitzewellen mit Rekordwerten bis zu 44°C sowie von Starkregen und Überschwemmungen heimgesucht. Die uruguayische Meteorologin Madeleine Renom erläutert im Interview den aktuellen Wissensstand.

Dürre und plötzlicher Starkregen binnen kurzer Zeit: Wie hängt das zusammen?
Beide Phänomene „befeuern“ sich über längere Zeit gegenseitig. Im Río de la Plata-Becken gibt es bereits seit 2019 eine anhaltende extreme Dürre, die die Situation verschärft. Überschwemmungen und Dürren muss man sich auf unterschiedlichen Skalen vorstellen. Dürren betreffen immer eine relativ große Region und halten mindestens drei Monate an. Wenn es so trocken ist, steigen auch die Temperaturen. Die Hitzewellen hier sind jedoch nicht so lang anhaltend und intensiv wie jene in Europa.

Woher kommen diese Unterschiede zwischen Süd- und Nordhalbkugel?
Auf der Nordhalbkugel ist die Landfläche viel größer, und es gibt eine größere Anzahl an Gebirgsketten. Man muss sich das wie Strömungshindernisse in der Höhe vorstellen. Auch die Zirkulation an den Polen ist anders. Die sogenannten antarktischen und arktischen Polarwirbel haben jeweils andere Dynamiken. Was wir hier auf der Südhalbkugel haben, sind ganz eigene natürliche Klimaschwankungen, die viel stärker von den Ozeanen bestimmt werden. Wir haben Phänomene wie z. B. La Niña (kalte Meeresströmungen im tropischen Zentral-Pazifik, Anm. d. Red.); sie gilt als Vorbotin für das Ausbleiben „gewohnter“ Niederschlagsmengen. Die Wechselwirkung der Ozeane mit den Küstenregionen ist bei uns in Uruguay stärker und senkt dadurch die Temperaturen. Deswegen sieht man bei den Hitzewellen ganz deutlich, dass diese in Europa wesentlich länger und intensiver ausfallen als in Uruguay.

Und inwiefern hängen die Ereignisse hier mit der menschengemachten Klimakrise zusammen?
Das ist schwierig zu sagen, weil uns Statistiken fehlen. Durch den Klimawandel entstehen nicht auf einmal neue Phänomene, aber manche verändern sich. Bei den Dürren in Uruguay hat sich gezeigt, dass sie zwar nicht häufiger auftreten als früher, dafür aber auch hier etwas intensiver und länger geworden sind. Bei Hitzewellen wurden heuer extreme Maximaltemperaturen bis zu 44°C beobachtet.

Allerdings sind vor allem die minimalen Tagestemperaturen angestiegen, was auch teils auf den Klimawandel zurückzuführen ist.Landesweit haben definitiv die intensiven Regenereignisse zugenommen. Ein sehr starker Niederschlag nach einer Trockenzeit verursacht immer auch Bodenerosion und Überschwemmungen. Der Boden konnte dann einfach nicht die notwendige Durchlässigkeit entwickeln, um das ganze Wasser aufzunehmen. Vor allem im Sommer ist das extremer geworden.

Weitgehend verbreitet ist die Annahme, dass das Ansteigen der Temperatur zu weniger Niederschlag führen müsse. Das sind jedoch verschiedene Dinge! Wenn es während der Dürre zu Regen kommt, heißt das nicht, dass die Dürre damit vorbei ist.

Die Schäden sind enorm. Besonders ärmere Bevölkerungsgruppen an Bachläufen sind oft von Überschwemmungen betroffen. Am 17. Jänner stieg das Wasser bei einigen bis zum Dach. Was sollte nun mit Blick auf die Zukunft passieren?
Einerseits fehlen uns Studien zu Extremwetterereignissen in städtischen Gebieten. Andererseits brauchen wir langfristige und neue Strategien zum Klimawandel, um einen Anstieg in Häufigkeit und Intensität der Extremwetterereignisse zu verhindern. Und wir müssen ihre Auswirkungen verstehen lernen. Es braucht Bildungskampagnen und ein Warnsystem, damit die Menschen besser informiert sind, wie sie sich bei Extremwetter verhalten sollen.

Die uruguayischen Meteorologin Madeleine Renom
Die uruguayischen Meteorologin Madeleine Renom erforscht die Gründe für Extremwetter © Jana Donat

Madeleine Renom ist Forscherin und Dozentin an der Abteilung für Atmosphärenwissenschaften am Physik-Institut der Fakultät für Naturwissenschaften in Montevideo. Als erste Meteorologie-Absolventin in Uruguay beschäftigte sie sich bereits in ihrer Doktorarbeit mit Extremwetterereignissen.

Jana Donat schreibt ihre Dissertation in Internationaler Entwicklung über überschwemmungsbedingte Umsiedlungen in Uruguay und ist Mitarbeiterin der Forschungsplattform „Mobile Cultures and Societies“ an der Universität Wien.

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