Aus dem Polnischen von Martin Pollack. Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 2007, 296 Seiten, € 19.90
„Man bekommt oft den zustimmenden, ja enthusiastischen Satz zu hören, dieses oder jenes Buch könne man ohne es wegzulegen lesen. Aber das ist kein Lob! Ein gutes, wichtiges Buch liest man langsam, nachdenklich, immer wieder die Lektüre unterbrechend und über das Gelesene nachgrübelnd, man blättert zurück zu einzelnen Stellen, Beschreibungen, Reflexionen: Man muss sich durch die Materie des Buches durcharbeiten, durchkämpfen, mühevoll, von Zeit zu Zeit innehalten und pausieren, um zu sehen, wie weit man gekommen ist. Wenn jemand schreiben oder sagen würde: die Lektüre dieses Buches braucht viel Zeit und Mühe, sie verlangt immer wieder Pausen, um nachzudenken – das wäre in meinen Augen ein richtiges Lob!“, so eine von hunderten Beobachtungen und Reflexionen von Ryszard Kapuściński aus dem Buch, welches nur wenige Tage nach dem Tod des polnischen Autors im vergangenen Jänner (siehe SWM 3/07 S.9 und 39) erschienen ist.
Man könnte meinen, der Autor beschreibe mit dieser Aussage sein eigenes Buch (das Lob wäre ihm gewiss!) – denn genauso langsam, nachdenklich und stellenweise mühevoll ist die Lektüre von „Notizen eines Weltbürgers“. Über Jahre hinweg gesammelte Erkenntnisse, Episoden, Zitate und Gedanken zum Kampf der Kulturen, zur Ungleichheit zwischen Arm und Reich, Migration etc. reihen sich übergangslos aneinander, an manchen Stellen scheint es schwierig, ein verbindendes Thema auszumachen. Erst wenn man sich von der Erwartung verabschiedet, dass es einen roten Faden geben muss, und dann in Ruhe langsam diese Fragmente auf sich wirken lässt, darüber selber nachdenkt und sinniert, wird die Lektüre dieser „Notizen eines Weltbürgers“ zu einem interessanten Erlebnis. Das Novum ist nicht unbedingt die Kritik des Autors zu Themen wie Eurozentrismus und der Globalisierung, sondern vielmehr die Herangehensweise, die Art, sie auszudrücken. Der vielgereiste ehemalige Korrespondent einer polnischen Nachrichtenagentur hat keine Angst davor, scheinbar einfache Sachverhalte, nicht ganz neue Beobachtungen, Dinge, die sich vor seiner Haustür in Polen gleich jenen, die sich irgendwo in Afrika abspielen, zusammenzustellen, um damit die Welt zu erklären. Ein echter Weltenbürger eben.