Stellen Sie sich vor, Österreich würde sich plötzlich der Reichtumsminderung widmen – ein einfaches Wortspiel lässt Armutsbekämpfung in einem neuen Licht erscheinen.
Neun Jahre haben wir noch. Dann sollte gemäß den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) der UNO der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben nur mehr halb so hoch sein wie 1990. Die es ernsthaft wollen, pfeifen es inzwischen wie Spatzen von den Dächern: Es kann nur gelingen, wenn die reichen Staaten ihre Verpflichtungen wahrnehmen. Die sind im Ziel acht definiert. Allerdings ist dieses, im Vergleich zu den Zielen, die sich an die so genannten Entwicklungsländer richten, unpräzise und unverbindlich formuliert.
Das bringt mich auf ein kleines, sprachliches Experiment. Versuchen wir einmal, das Wort „Armut“ durch sein Gegenteil „Reichtum“ zu ersetzen und die dazu gehörigen Wortfelder auszutauschen. Ziel eins der MDGs würde dann heißen: „Extremen Reichtum und Übersättigung bekämpfen“. Und weiter: Der Anteil der Menschen, die von mehr als 1.000 US-Dollar pro Tag leben, soll um die Hälfte gesenkt werden. Oder Ziel 3: Gleichstellung und geringeren Einfluss der Männer fördern. Oder Ziel 8: Eine Verpflichtung (…) zur Verringerung des Reichtums sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene.
Wie geht es Ihnen dabei? Finden Sie es witzig? Entrüsten Sie sich unwillkürlich und denken sich, aber so geht das doch nicht? Warum eigentlich nicht? Machen wir mit den Leitlinien der Österreichischen EZA weiter, die da lauten würden: Reichtumsminderung ist seit Beginn der internationalen EZA eines der zentralen Anliegen und Herausforderungen. Die Ursachen des Reichtums liegen nicht nur in der extremen ungleichen Verteilung von Einkommen, sondern vor allem auch in einer sozialen, ethnischen oder religiösen Bevorzugung. Besonders gefährdet sind erwachsene Männer.
Und auf der Website der österreichischen Armuts- pardon, Reichtumskonferenz, dem Netzwerk gegen Reichtum und soziale Ausgrenzung, wäre zur Unterscheidung von Langzeit- und Kurzzeit-Reichtum zu lesen: Etwa 100.000 Personen kommen aus dem Reichtum nicht heraus. Die Armen.
Das Experiment lässt sich nach Belieben fortsetzen. Was ich interessant daran finde, ist die Ungeheuerlichkeit, die es bedeuten würde, unsere Politik – ernsthaft – nach diesen Grundätzen zu gestalten. Oder dergleichen auch nur zu fordern. Und bitte, das würde nicht heißen, Reiche zu bekämpfen. Wie man ja auch in der Armutsbekämpfung nicht müde werden darf zu betonen, dass es nicht darum geht, Arme zu bekämpfen. Es würde erst einmal heißen, extremen Reichtum als ein Problem wahrzunehmen, das unsere soziale, ökonomische und menschliche Entwicklung behindert. Und ich spreche hier von extremem Reichtum, von einer Minderheit angehäuft und verwaltet, der jedes Maß übersteigt – in reichen genauso wie in armen Ländern.
Helfen wir doch auch den Reichen. Auch sie sollen wieder national und international in die Gemeinschaft integriert werden und an unserer gemeinsamen globalen Entwicklung teilhaben können. Ohne unsere Hilfe werden sie es nicht schaffen.