Hans- Otto Dill: Zwischen Humboldt und Carpentier

Von Christina Schröder · · 2006/04

Essays zur kubanischen Literatur. Edition Tranvía, Berlin 2005, 223 Seiten, € 19,80

In 13 Essays nähert sich der Berliner Hispanist Hans-Otto Dill der kubanischen Literaturgeschichte von verschiedensten Blickpunkten. Einleitend gibt der Autor einen Überblick über die Umstände, unter denen in der sprachlich und kulturell sehr mit ihrem Mutterland verbunden Kolonie Kuba nach und nach eine eigene Literatur entstand. Dill erläutert dann José Martís lateinamerikanische Regierungs- und Identitätsversionen, um zu zeigen, unter welchen Prämissen sich die kubanische Identität, Nation und Literatur entwickelt und konsolidiert haben. Schon hier wird deutlich, dass es nicht nur um eine reine Abhandlung der kubanischen Literatur geht, sondern viel mehr um ein breites Spektrum von Identitätsentwürfen und Ideen, die sich in der kubanischen Literatur niedergeschlagen haben.
Hans-Otto Dill räumt Alejo Carpentiers Konzept des so genannten Wirklich-Wunderbaren Amerikas genauso viel Platz ein wie dem Zugang zur afrokubanischen Lyrik Nicolás Guilléns oder zum späten Kreolismus des José Lezama Lima und den Literaturen einiger in Europa nicht so bekannter Autoren wie Eliseo Diego und Gustavo Eguren. Bei der Besprechung der Werke dieser kubanischenr Autoren verbindet und vergleicht Dill stets ihren sozio-kulturellen Hintergrund, aus dem sich dann eben die Spezifika ihrer Literaturen ergeben. In einem Überblicksartikel zeichnet der Autor deren Bild von der Stadtarchitektur Havannas und der kubanischen Musik nach. Um dem kulturellen Synkretismus Kubas jedoch vollends gerecht zu werden, begibt sich Dill auch auf die Suche nach französischen und vor allem deutschen Spuren in der Literatur der Insel, die ihn zu Alexander von Humboldt, Goethe, Heine und Mann führen. Um dieses Buch interessant zu finden, muss man weder ein Literaturwissenschafter noch ein Kubaspezialist sein, da sowohl die Literatur als auch die Geschichte und Kultur der Insel abwechslungsreich mit ihrer Identitätsgeschichte verwoben wird, die weit über den Hafen Havannas hinausreicht.

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