Reisen verführt

Von Edith Kresta · · 1999/09

Jahrhundertelang hat der Reiz der Fremde Männer um den Globus getrieben. Nun lassen sich Frauen davontreiben und schreiben darüber: Beispielsweise eine Erfolgsgeschichte wie „Die weiße Massai“.

Die Reiseberichterstattung – ob literarisch oder sachlich – war jahrhundertelang eine Männerdomäne. Von Marco Polo über Goethe bis Bruce Chatwin oder Jack Kerouac – Männer reisten, entdeckten die Fremde und schrieben darüber.

Heutzutage haben die Frauen aufgeholt.

Während die männlichen Botschafter aus fernen Ländern das Objekt ihrer

Reiselust distanziert beschreiben, lassen sich die reisenden,

schreibenden Frauen hemmungslos fallen. Sie lassen sich ein auf die

Fremde, den fremden Mann. Sie sind bereit, mit dem Land, den Leuten,

dem fremden Liebsten zu verschmelzen, wo der männliche Autor nur

Melancholie an einem Regentag im Urwald verspürt. Ihm winkt das

Schicksal an fernen Gestaden, wo er verschämt auf jugendliche

Piratenträume zurückblickt oder sich auf eine halbprofessionelle Affäre

einläßt.

Und diese Erfahrungen machen Touristinnen zu Autorinnen. Ihre

Abenteuergeschichten voll Liebesleid und Fernweh werden von einem

weiblichen Lesepublikum verschlungen. Das darf sich endlich in

exotisch-erotischen Träumen der weiblichen Art verlieren, wo Massais und

schöne Araber wandeln – kleingewachsene Pygmäen oder verschlossene

Eskimos wären weniger dafür geeignet. Sollen die Männer weiter von

üppigen Südseeschönheiten und anschmiegsamen Thai-Frauen träumen: Die

Frauen holen sich, was sie brauchen. Weltweit. Diese Vermutung

legt zumindest eine Reihe jüngerer Publikationen von Frauen nahe.

Beispielsweise von Corinne Hofmann: Mit ihrem Buch „Die weiße Massai“ führt sie seit Wochen die Bestsellerlisten an.

Das Ende August 1998 erschienene Buch hat bereits die neunte Auflage und

250.000 verkaufte Exemplare erreicht. Eine Erfolgsstory, die bald

in die Kinos kommt.

Die Handlung ist so schlicht wie abenteuerlich. Die Schweizerin Corinne

Hofmann fuhr in den Urlaub nach Kenia, sah ihn, wollte ihn und

eroberte ihn. Für ihre Obsession zu dem „schönen Massai, ihrem Krieger“ gab Corinne Hofmann Freund und eine gesicherte Existenz auf. Sie zog zu ihrem „Halbgott“ in die kenianische Steppe und wohnte in einer Kuhfladenhütte. Dort fühlte sie sich endlich daheim.

Vier Jahre lebte sie unter extremen Bedingungen im kenianischen Busch.

Vier Jahre, in denen ihr „Halbgott“ immer irdischer wurde. Aus dem

wunderschönen Krieger und Beschützer wurde nach und nach ein

eifersüchtiger, unzufriedener Tyrann. Die Beziehung zerbrach. Corinne

Hofmann kehrte mit ihrer in Kenia geborenen Tochter fluchtartig in die

Schweiz zurück.

Heute lebt die attraktive Corinne Hofmann als erfolgreiche Autorin in der Schweiz. Ihr Massai hat sie schlußendlich doch noch glücklich gemacht.

Edith Kresta ist Redakteurin der Berliner Tageszeitung taz.

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