Mit dem Buraku-Problem wurde ich erstmals konfrontiert, als ich meinem zukünftigen Mann begegnete. Nachdem er mir gesagt hatte, er sei Buraku, erzählte ich auch meinen Eltern davon. Daraufhin änderten sie ganz plötzlich ihre Haltung. Sie sagten, ich sollte nicht mehr mit ihm gehen, obwohl sie ihn vorher als sanftmütigen, guten Menschen eingeschätzt hatten. Ich durfte ihn nicht einmal mehr anrufen. Sie fuhren fort, mir ihre Vorurteile gegenüber Burakumin zu erklären, ohne wirklich über das Buraku-Problem Bescheid zu wissen.
Als sie begriffen, dass ich ihn nicht verlassen würde, fragten sie mich, ob ich nichts dagegen hätte, wenn die für einen Monat danach angesetzte Heiratszeremonie meines älteren Bruders abgesagt würde. Ich beschloss, die Verlobte meines Bruders zu besuchen, in der Hoffnung, ihr meine Sicht der Dinge vermitteln zu können. Sie fragte mich, ob ich meinen Freund heiraten wollte. Als ich das bestätigte, sagte sie nach kurzem Schweigen: „Wenn du vorhast, ihn zu heiraten, möchte ich meine Verlobung mit deinem älteren Bruder auflösen.“
Da ich nicht nachgab, begann die Situation zu eskalieren. Mein älterer Bruder, ein Polizeibeamter mit ziemlich konservativer Einstellung, wurde mir gegenüber gewalttätig. Einmal fiel er dann tränenüberströmt vor mir auf die Knie und flehte: „Trenne dich von ihm, ich bitte dich. Bitte zerstöre unsere Heirat nicht.“ Ich war so verdattert, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Ich verstand einfach nicht, woher meine Familie diese Ideen hatte. Als mein Vater jung war, gab es Einwände gegen seine Heirat mit meiner Mutter, weil er Augenprobleme hatte. Er weiß also, wie es sich anfühlt, diskriminiert zu werden. Und trotzdem diskriminierte er selbst die Burakumin. Meine Mutter, die wegen ihrer Heirat mit einem Behinderten nach ihren Worten Einiges durchgemacht hatte, stellte sich gegen unsere Beziehung, damit es mir nicht ebenso erginge.
Mir wurde klar, dass ich sie unglücklich machte und dass es in Ordnung wäre, wenn ich nicht mehr mit ihm ginge. Schließlich sagte ich ihnen: „Ich habe vor, mich von ihm zu trennen.“ Mein Freund war besonders traurig, denn er hatte die Entscheidung über unser Schicksal mir überlassen. Ich werde sein trauriges Gesicht nie vergessen. Die Heirat zwischen meinem Bruder und seiner Verlobten fand statt wie geplant. Als ich dann krank wurde und mein Vater sah, dass ich litt, erlaubte er mir, meinen Freund zu treffen. Später wurde mir klar, dass es sich um eine Taktik handelte, uns langsam auseinander zu bringen. Eines Morgens verließ ich das Haus mit drei Kleidungsstücken und 200.000 Yen (ca. 1.500 Euro) in der Tasche; meiner Familie hatte ich einen Brief geschrieben.
Wir ließen unsere Heirat am selben Tag offiziell registrieren. Als mein Vater und mein Bruder davon erfuhren, verurteilten sie mich: „Ab sofort darfst du unser Haus nicht mehr betreten.“ Ich war verstoßen worden.
Quelle: Buraku Liberation News Nr. 102 (
blhrri.org)
Die Burakumin in Japan
In der japanischen Feudalgesellschaft standen die eta („die Beschmutzten“) und die hinin („Nicht-Menschen“) am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie. Die eta übernahmen „unreine“ Tätigkeiten wie das Beseitigen von Tierkadavern, die Lederverarbeitung oder die Straßenreinigung; zur Gruppe der hinin gehörten Wächter, Henker und Schauspieler. Ihre Nachkommen, die Burakumin („Leute aus speziellen Dörfern“), wie sie heute bezeichnet werden, leiden nach wie vor unter verbreiteten Vorurteilen und Diskriminierung, und der Kontakt mit ihnen gilt als „beschmutzend“. Es gibt heute etwa drei Millionen Burakumin in Japan (2,5% der Bevölkerung).