Ein paar Tage nach dem verheerenden Seebeben im Indischen Ozean hörte ich im Fernsehen einen Satz, der mir nicht aus dem Sinn ging und der mich umso mehr störte, je öfter ich ihn hin und her wendete. Seelenvoll hatte der Nachrichten-Sprecher, der seinem Publikum nicht immer nur mit Schrecken und Grauen kommen wollte, zu unser aller Beruhigung verkündet: „Auf die Welle der Zerstörung folgt jetzt weltweit eine Welle der Unterstützung.“
Ich schätze es, wenn jemand zur Sprache nicht ein sachliches, sondern ein erotisches Verhältnis hat und sich witzig und pointiert zu fassen weiß. Das Wortspiel, das Spiel mit dem Gleichklang von Worten verschiedener Bedeutung oder mit der doppelten Bedeutung desselben Wortes, ist oft ein subversiver Angriff auf den bürokratischen Jargon; auch in Österreich kann man im Wirtshaus, in der Straßenbahn oder am Arbeitsplatz mancherlei Leute hören, deren sprachschöpferische Kraft wider die Sprache der Obrigkeit revoltiert und die herrschenden Phrasen als Phrasen der Herrschenden dem Gespött preisgibt.
Die Welle, die Vernichtung gebracht hat, und die Welle der Solidarität, die Spenden bringt – dieses Wortspiel hat mir gleichwohl nicht gefallen. Es spricht sich in ihm eine Schamlosigkeit aus, der alles, was auf der Welt geschieht, nur ein Anlass ist, daraus eine eingängige Meldung zu machen. Es opfert das Mitgefühl, das es behauptet, bedenkenlos an eine zwanghafte Originalität, die sich jedes Anlasses bemächtigt, um das Geschäft der medialen Unterhaltung keine Sekunde lang stocken zu lassen.
Ist es nicht kleinlich, angesichts eines solchen Unglücks Sprachkritik zu betreiben? Nein, denn wo Menschen entrechtet werden, ist es meist auch die Sprache, die geschändet wird. Wenn der delirante Moderator einer so genannten Spendenshow allen Ernstes einen „Flächenbrand der Menschlichkeit“ fordert, wissen wir dann nicht, dass jene Opfer, die heute öffentlich bedauert werden, schon morgen wieder mit geschäftskalter Gleichgültigkeit rechnen müssen?