In Umfragen äußern sich in Österreich über 80 Prozent der Befragten gegen Privatisierungspläne in der Wasserversorgung – doch die EU hat andere Vorstellungen. Und Österreichs Bundesregierung?
Selten stößt ein globales Thema auf so breite und weltweite Ablehnung wie die Liberalisierung der Wasserversorgung. Dennoch beharren die Welthandelsorganisation WTO im Rahmen von GATS und die Europäische Union auf dieser Politik.
Der Ungeist von Margret Thatchers radikaler Liberalisierungsideologie in den 80er Jahren spukt eben immer noch durch die Köpfe der führenden PolitikerInnen Europas, obwohl die Folgen dieser Politik für die Bevölkerung heute deutlich sichtbar sind. Die Generaldirektion Wettbewerb und die Kommission für Binnenmarkt der Europäischen Union, die sich in den letzten Jahren inoffiziell zu den wichtigsten und richtungsweisenden Instanzen des Staatenbundes entwickelt haben, unternehmen immer wieder Vorstöße zur Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen, auch im Wassersektor.
Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein spricht von einer „Erfolgsstory“ bei der Marktöffnung bei Telekommunikation, Post, Luftverkehr, Strom und Gas: „Die Preise sind gesunken und die Qualität ist gestiegen“.
Für die österreichischen Haushalte war jedoch Energie im September 2003 im Durchschnitt um 0,9% teurer als im Vorjahr, und die Energieverwertungsagentur rechnet für Jahresanfang 2004 wegen höherer Steuern mit einer Verteuerung des Gaspreises um sechs und bei Heizöl Leicht um neun Prozent. Von der ständigen Verteuerung der Postdienstleistungen gar nicht zu reden.
Bei einer Pressekonferenz in Wien Ende Oktober forderte Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel einen „Stopp der ständigen Liberalisierungs-Attacken der EU auf die Wasserversorgung in Österreich“ und ein konsequentes Auftreten der österreichischen Regierung gegen die von der EU geplante Liberalisierung der Wasserwirtschaft. Tatsächlich hat Brüssel in der letzten Zeit in einer Reihe von Dokumenten – Grünbuch Dienstleistungen, Strategiepapier Binnenmarkt u.a. – eine Liberalisierung des Wassersektors gefordert. Diese Forderungen werden vor allem von Frankreich und Deutschland gepusht, der Heimat der größten Wasserversorgungs-Konzerne: „Wasser ist ein wichtiger Sektor im Binnenmarkt mit einem geschätzten Jahresumsatz von 80 Milliarden Euro – mehr als Gas, Abfall oder Treibstoffe“, lockt das EU-Strategiepapier.
Die Ideologen der Liberalisierung führen ständig an, durch Privatisierung und Wettbewerb wären die KonsumentInnen die größten Nutznießer – die Preise sollen fallen, die Qualität steigen. Was für den Telekommunikations-Sektor stimmen mag, für die Wasserversorgung jedoch auf keinen Fall.
Die österreichische Arbeiterkammer und der Städtebund haben bei der Technischen Universität Wien und dem deutschen Ecologic-Institut eine umfassende Studie in Auftrag gegeben. Die in fünf Bänden veröffentlichte Untersuchung stellt die Siedlungswasserwirtschaft in Österreich den Privatisierungserfahrungen in England und Frankreich gegenüber und zieht einen europäischen Systemvergleich. Sie widerlegt deutlich das Postulat, Privatisierung würde für die KonsumentInnen nur Vorteile bringen. Die Studie beweist sogar, dass die privaten Anbieter keineswegs billiger sind und deren Qualität besonders im Bereich der aufwändigen und unrentablen Abwasserentsorgung äußerst mangelhaft ist.
Bei den Durchschnittskosten für Wasserver- und Abwasserentsorgung zeigt sich in der Vergleichsstudie kein wesentlicher Unterschied: sie betragen in Österreich pro Person im Jahr 145 Euro, in England und Wales (in Schottland ist die Versorgung weiterhin großteils kommunal) 150, in Frankreich gar nur 132 Euro. Doch wenn man das Service der Infrastruktur und die Qualität der Abwasserentsorgung berücksichtigt, liegt Österreich klar in Führung: die Leitungsleckrate liegt hier bei neun Prozent (England/Wales 22, Frankreich 30%), und bei der Entsorgung weist Österreich eine fast doppelt so hohe Elimination von Stickstoff und Phosphor auf wie die Vergleichsländer.
Sowohl Tumpel als auch Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden, der Vizepräsident des Städtebundes, sprechen sich als Vertreter ihrer Organisationen für ein absolutes „Nein“ zur Liberalisierung der Wasserversorgung aus und fordern die Regierung auf, endlich eine klare Position zu diesem Thema zu beziehen: „Wir wollen, dass die Regierung in der EU konsequent gegen die geplante Liberalisierung der Wasserwirtschaft auftritt.“ Heinz Schaden ist auch überzeugt, in dieser Frage mit dem (ÖVP-dominierten) Gemeindebund völlig derselben Meinung zu sein.
Die Studie ist kostenlos erhältlich über die AK Wien (Tel. 01/50 165-2698, friederike.bodinger@akwien.at); Download-Möglichkeiten: www.akeu.at und www.staedtebund.at
www.akeu.at www.staedtebund.at