Dass sie kommt, ist mittlerweile klar – wie sie aussehen wird, steht noch nicht fest: eine Restrukturierung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit.
Wenn in den Vereinigten Staaten von der Agency gesprochen wird, weiß jeder, dass mit dieser „Agentur“ die CIA gemeint ist. Fällt in der entwicklungspolitischen Szene Österreichs derzeit der Name „Agentur“, denken alle an die geplante neue Körperschaft, in der zukünftig die Entwicklungshilfe-Agenden mehrerer Institutionen und vielleicht auch mehrerer Ministerien versammelt werden sollen.
Dass diese „Agentur“ kommen wird, steht nun außer Frage (vgl. dazu SWM 7-8/02, S.8). Die genaue Organisationsform und Struktur ist jedoch völlig offen – „wir stecken noch mitten in einem Diskussionsprozess, in den auch die NGOs einbezogen werden“, so Georg Lennkh, Leiter der Sektion für Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium.
Außenamts-Generalsekretär Johannes Kyrle nennt drei Gründe für die Schaffung einer derartigen Agentur bzw. einer Einrichtung, in die technisch-operationale Geschäfte ausgelagert werden: EU-Vorgaben, die zu erwartende Steigerung der EZA-Mittel und eine bessere Kooperation mit dem Wirtschafts- und Finanzministerium.
Im Ziel sind sich alle einig: mehr Mittel und eine bessere Entwicklungszusammenarbeit. Die Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) befürchten jedoch, von dieser neuen Agentur sozusagen überfahren, an den Rand gedrängt zu werden. Und diese Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Der für die NGO-Arbeit zur Verfügung stehende Anteil der staatlichen EZA ist in den letzten Jahren ständig und drastisch gekürzt worden. Da viele Projekte in Zukunft öffentlich – und ab einem bestimmten Volumen sogar EU-weit – ausgeschrieben werden, sehen sich die NGOs in einen ökonomisch dominierten Konkurrenzkampf auf dem freien Markt hineingedrängt.
So haben die NGOs schon Anfang Juni ein – von über hundert Organisationen unterschriebenes – „Diskussionspapier zur Debatte einer EZA-Agentur“ veröffentlicht, in dem sie ihre Vorstellungen von einer sinnvollen Agentur deponieren.
In der zweiten Septemberwoche gab es ein Gespräch zwischen VertreterInnen des Außenministeriums und den entwicklungspolitischen Nichtregierungs-Organisationen, in dem erstere den Rahmen für die geplante Restrukturierung absteckten. Wobei eigentlich keine tiefgreifenden Unterschiede zu den Vorstellungen der NGOs bestehen. Die politischen Entscheidungen und die Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit, z.B. die Ausformulierung der Sektorenpolitik, sollen weiterhin im Ministerium bleiben.
Der Zeitplan für die Reorganisierung ist nun durch die Neuwahlen ins Wanken gekommen. Die Schaffung der „Agentur“ – wie immer sie auch aussehen mag – soll in das Regierungsprogramm aufgenommen werden, ebenso die Forderung nach einer Erhöhung der EZA-Mittel. Schließlich wird ja in der nächsten Legislaturperiode die Steigerung auf den EU-Durchschnitt von 2006 (0,33 % heute, 0,39 % in vier Jahren) fällig.
Im Sinne des von Sektionschef Lennkh gewünschten Diskussionsprozesses stellte Mitte Oktober sein irischer Amtskollege David Donoghue in Wien die Entwicklungszusammenarbeit Irlands vor. Die EU-skeptische Inselrepublik ist ein besonderer Fall, hat sie doch kürzlich eine radikale Erhöhung der EZA-Mittel angekündigt, um im Jahre 2007 die magische 0,7 %-Grenze zu erreichen. Diese Steigerung von derzeit etwa 400 Mio. _ auf 966 Mio. binnen fünf Jahren wurde in der Öffentlichkeit mit großer Zustimmung bedacht, freut sich Donoghue. Sechs afrikanische Länder erhalten 90 % der bilateralen Hilfe Irlands.
Der irische EZA-Direktor äußerte ganz offen sein Misstrauen, wenn bei der Entwicklungszusammenarbeit privatwirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen. An eine Entwicklungs-Agentur denke Irland trotz des starken Anstiegs der Mittel nicht. Es werde jedoch in Kürze ein „Entwicklungs-Forum“ eingesetzt werden, als eine Instanz der Diskussion und des Dialogs mit den NGOs.
Die Wunschliste der österreichischen NGOs hat Robert Zeiner, Geschäftsführer von Horizont3000, bei der Veranstaltung mit David Donoghue bündig zusammengefasst. Erstens „mehr Geld“. In der neuen Struktur sollte ein eigener NGO-Bereich eingerichtet und anfangs mit etwa 40 Mio. _ dotiert werden. Weiters sollte die Schaffung einer neuen Einrichtung zu einem umfassenden Organisationsentwicklungsprozess genutzt werden, der zu einer Konzentration und Straffung von Entwicklungshilfe-Agenden führt. Schließlich sollten ein klares Leitbild und Ziele der „Agentur“ definiert werden, um mit den NGOs in eine offene Diskussion und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Restrukturierung der Entwicklungszusammenarbeit treten zu können.