Der angolanische Bürgerkrieg scheint beendet. In dem vom Krieg zerrütteten Land gibt es weder Arbeit noch Infrastruktur, auch ist die künftige Rolle ehemaliger Unita-Kämpfer unklar.
Das 1994 in Lusaka verhandelte Friedensprotokoll hatte ursprünglich die Machtaufteilung zwischen Regierung und Unita vorgesehen. Nach dem Tode des langjährigen Rebellenführers Jonas Savimbi verändert sich die Lage. Unita scheint militärisch am Ende. Das gibt der Regierung Macht im politischen Spiel und der Unita weniger Raum für die Forderung von Konzessionen. Die Rebellen wollen auf ihrem nächsten Kongress die neue Führung bestimmen und ihre Fraktionen vereinigen. Zur Zeit leitet Hardliner Paulo Lukamba „Gato“ das Führungskomitee der Unita. Die Bewegung steht vor dem schwierigen Prozess, sich von ihrer Vergangenheit zu distanzieren und in eine politische Oppositionspartei umzubilden. Ist sie bereit zur demokratischen Arbeit oder wird sie sich nur in die Reihen der Herrschenden einordnen? Das hängt sicher davon ab, wie noch zugängliche Diamantengebiete zur Finanzierung und neue Posten im Parlament verteilt werden. Und ob die seit 1997 bestehende Regierung der nationalen Einheit, in der mehrheitlich ein von der Regierung „gekaufter“ Flügel der Unita mit vier Ministern und sieben Vizeministern vertreten ist, die geächteten Unita-Kämpfer mit an Bord nimmt.
Die Entmilitarisierung ist entscheidend. In 26 Lagern sollen Unita-Soldaten ab sofort ihre Waffen abliefern, ohne Überwachung durch ausländische Kontrollorgane. Nichtregierungsorganisationen hegen Zweifel am Gelingen und fordern die Entwaffnung aller Angolaner. Viele Männer sind noch im Besitz von Waffen, die einst von der Regierung ausgegeben wurden. Es fehlt eine „Friedenskultur“ in Angola.
Aber erstmals haben AngolanerInnen aus eigenem Antrieb erfolgreich einen ersten Schritt zum Frieden ausgehandelt und es hat den Anschein, als sei Savimbi tatsächlich das Haupthindernis für eine friedvollere Zukunft gewesen. Nur wenige Wochen nach seinem Tod im Kugelhagel der Regierungsarmee in der Ostprovinz Moxico feierte Angola mit einem nationalen Feiertag das neue Abkommen. Viele trauen dem Frieden allerdings noch nicht. Zu häufig waren frühere Verhandlungen gescheitert und Versprechen gebrochen worden. Skepsis war die erste Reaktion in der Bevölkerung, als Präsident Eduardo dos Santos am Vorabend der Unterzeichnung erklärte: „Der Krieg ist beendet. Frieden ist für immer eingekehrt.“ Nicht alle trugen ein Dos-Santos-T-Shirt zur Feier des historischen Moments. Junge Leute in den Straßen von Luanda riefen in Sprechchören: „Wir wollen mehr Geld für Schulen. Die Regierung ist korrupt und hat zu viel Geld für Waffen ausgegeben.“
Der Regierung fällt jetzt durch eine geschwächte Unita zwar die Glanzrolle des Friedensstifters zu, aber in Wirklichkeit hat eine schwierige Testphase begonnen: Wie ernsthaft sind die Demokratiebestrebungen in Angola? Die Regierung hat nie überzeugenden Willen gezeigt, den Krieg zu beenden. Die Haupteinnahmen der MPLA, der ehemals sozialistischen Regierungspartei, stammen aus Ölgeschäften und dienten der eigenen Bereicherung. Waffenkäufe nährten den Krieg, der 500.000 Opfer und vier Millionen Vertriebene forderte. Dos Santos’ Regierung hat die reichen Ressourcen des Landes unter sich aufgeteilt und das Volk im Stich gelassen. 1,4 Millionen Menschen sind auf ausländische Hilfsorganisationen angewiesen. Kuito, die ausgebombte Hauptstadt der Inland-Provinz Bie, war Schauplatz erbitterter Kämpfe. Seit Jahren ist sie der Sitz zahlreicher internationaler Organisationen, die in den umliegenden Flüchtlingslagern Elend und Hunger bekämpfen.
Die Zahl der Bedürftigen wird sich um eine Million erhöhen, schätzt Ralf Syring, Leiter der Deutschen Welthungerhilfe in Luanda. Sie strömen aus Unita-kontrollierten Gebieten in Orte, wo sie Hilfe erwarten. Die Umsiedlung der Vertriebenen stellt Organisationen vor Probleme: Entminung des Landes, Brückenbau, Verteilung von landwirtschaftlichen Geräten und Nahrungsmitteln – und das alles schnell und möglichst gleichzeitig. Die Regierung hat laut Syring 57 Millionen Dollar für Nothilfe bereitgestellt und bat die internationalen Organisationen um 75 Millionen Dollar Hilfe für die nächsten drei Monate. Diese wollen allerdings Garantien auf Erfolg.
Präsident Dos Santos hat nicht nur Frieden, sondern freie und faire Wahlen angekündigt. Den Zeitpunkt ließ er offen. „Erst muss das Vertrauen in die Politik hergestellt werden“, sagt Sabine Fahndrych, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Luanda. „Seit die einzigen Wahlen 1992 in einer Katastrophe endeten, stehen Wahlen als Synonym für Krieg.“
Hoffnung ist dieses Mal aber größer als Skepis. Sie hat viele Menschen wie Nato über lange Zeit gestärkt. Der Traum vom sozialen Frieden ist in ihren Köpfen. Aber Angola hat nur diese eine Chance, Demokratie gemeinsam mit politischen Parteien und der wachsenden Friedensbewegung im Volk, getragen von den Kirchen, als Grundstein für die Zukunft zu bilden. Nur dann wird Nato Puros Sohn in Frieden aufwachsen und nicht in den Krieg ziehen müssen.
Martina Schwikowski ist Afrika-Korrespondentin der taz und lebt in Johannesburg/Südafrika. Sie bereiste kürzlich Angola.
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