Ein Besuch in der „UNO-City“, anlässlich 40 Jahre Vienna International Centre. Von Richard Solder
Das Vienna International Centre (VIC) im 22. Wiener Bezirk ist nicht zu übersehen. Die charakteristischen breiten, gebogenen Türme sind von weitem erkennbar. Die Wienerinnen und Wiener nehmen die Institution allerdings als eigenen Mikrokosmos wahr, als kleine Stadt in der Stadt. Vor 40 Jahren bekam Wien seinen UN-Standort, die UN ihren dritten neben dem Hauptquartier New York und Genf, Nairobi sollte 1996 hinzukommen.Steht man auf der Memorial Plaza, dem großen Platz mitsamt Brunnen und Fahnen der 193 UN-Mitglieder, fühlt man, dass die Welt in Kaisermühlen zu Hause ist, zumindest jene der Anzug und Kostüm tragenden Diplomatinnen und Diplomaten aus verschiedensten Ländern, die in großen Konferenzsälen oder kleinen Besprechungszimmern netzwerken.
Ein Besuch in der UNO-City ist auch eine Zeitreise: Von den Außenmauern über schon fast historisch anmutende orangefarbene Fahrstühle bis zu den Holzvertäfelungen in manchen Büros – die 1970er Jahre lassen grüßen. Das VIC wurde nach den Plänen des österreichischen Architekten Johann Staber zwischen 1973 und 1979 gebaut. Eigentlich war Stabers Entwurf im Wettbewerb um den Auftrag unter den vier Finalisten letztgereiht, Österreichs damaliger Bundeskanzler Bruno Kreisky aber entschied sich für Staber.
Mächtige IAEO. Die größte Organisation, die hier residiert, ist die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO, die genau genommen eine eigene, mit den UN verbundene Institution ist. Rund die Hälfte der 5.000 in der UNO-City arbeitenden Menschen ist für die IAEO im Einsatz. Hinzu kommt die UN-Organisation für industrielle Entwicklung UNIDO, das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, ein Büro des Flüchtlingskommissariats UNHCR sowie kleinere Büros, u.a. das UN-Büro für Weltraumfragen (UNOOSA).Ein strategischer Vorteil des Standortes Wien war 1979 die geografische Lage – in einem neutralen Staat nahe des Eisernen Vorhangs in Zeiten des Kalten Krieges.
Laut Martin Nesirky, Direktor des UN-Informationsdienstes UNIS, profitieren die UN immer noch von Wien: „Natürlich ist die Welt eine andere, aber die Herausforderungen sind nicht geringer geworden“, so der Brite. Österreichs Hauptstadt habe nach wie vor eine Anziehungskraft als Verhandlungsort, Nesirky erinnert etwa an die Atomgespräche mit dem Iran 2015. „Zudem ist die Relevanz der in Wien ansässigen UN-Organisationen größer geworden.“Der Multilateralismus sei unter Druck – aber internationale Zusammenarbeit der einzige Weg, der bisher Erfolg hatte. Und daher gelte es diesen weiterzugehen, nicht zuletzt mit den SDGs, den UN-Nachhaltigkeitszielen.
Arbeitsplatz VIC. Die SDGs sind in Form von Postern und Piktogrammen allgegenwärtig im VIC. Hier zu arbeiten, das empfinden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oftmals als etwas Spezielles: „Was hier anders ist als in der Welt draußen ist die Internationalität, das muss man mögen“, erklärt Anneliese Heber von UNIS. Sie hat im Eröffnungsjahr des VIC ihren Dienst für die Vereinten Nationen in Wien begonnen.Ilse Mayer, sie ist wie Heber Österreicherin, gehört zum Department of Safeguards der IAEO. Die Abteilung ist für die Überwachungsmaßnahmen verantwortlich, die nicht zuletzt die militärische Nutzung von Atomenergie verhindern sollen. Mayers Dienstort ist seit 1979 das VIC, von wo auch InspektorInnen entsandt werden: „Die Leute, die reisen, haben sehr viel zu erzählen“, so Mayer. Insgesamt sind hier heute mehr Menschen im Einsatz als einst, vor allem die „Agency“, wie die IAEO hier genannt wird, ist über die Zeit gewachsen: „Es ist überall im Haus gedrängter geworden, auch unten in der Cafeteria!“, so Mayer. „Die wesentlichen Dinge werden außerhalb der Konferenzräume besprochen“, ergänzt Heber. In den Meetings gehe es meist nur mehr um das Formale.Allerdings sei in den Anfangszeiten des VIC die Bar jeden Abend voll besetzt gewesen, heute herrsche meist tote Hose. Als Zeichen des kriselnden Multilateralismus will das Heber aber nicht deuten. „Weltpolitik wird am UN-Hauptquartier in New York besprochen. In Wien werden Themen wie die friedliche Nutzung der Kernenergie, industrielle Entwicklung sowie Drogen- und Verbrechensbekämpfung diskutiert.“ Die Welt in Kaisermühlen mag eine andere sein. Aber: Wien ist halt auch hier nicht New York. Weitere Beiträge zum Thema „40 Jahre VIC“, u.a. das Interview mit UNIS-Direktor Martin Nesirky in voller Länger, gibt es im Dezember-Extrablatt.
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