Auferstehung

Von Werner Leiss · · 2019/Mai-Jun

Die Rückkehr des anatolischen Rock-Movements.

Altin Gün klingt wie eine urtürkische Formation, sie ist es aber nicht. Vielmehr handelt es sich um eine internationale Truppe mit Sitz in den Niederlanden, im Grunde um eine Casting-Band, wenngleich im besten Sinne. Entstanden ist sie aus der Leidenschaft des Bassisten Jasper Verhulst für anatolischen Rock. Ein Plattensammler mit einer Vorliebe für türkische Pop-Songs aus den Siebzigern, für Stücke von KünstlerInnen wie Erkin Koray, Selda Bağcan oder Barış Manço.

Gün entschied sich, eine Gruppe zu formieren, um seine Lieblingsmusik selbst neu zu arrangieren. Also suchte er per Inserat von Amsterdam aus türkische MitstreiterInnen und stieß dabei auf den Saz-Spieler, Keyboarder und Sänger Erdinc Yildiz Ecevit und die Sängerin Merve Dasdemir. Dazu kamen ein britischer Gitarrist und ein Schlagzeuger mit Kontakten zur Plattenindustrie.

In wenigen Monaten hatte die Gruppe bereits ein kleines Repertoire neu interpretierter Klassiker beieinander. Schließlich presste das Genfer Spezialitäten-Label Bongo Joe die Stücke auf Vinyl. Ein Jahr nach ihrem Debüt „On“ erscheint nun ihr neues Album „Gece“ (Glitterbeat). Türkische Folklore wird mit Funk und Psych-Sounds verbunden, womit ein schon vor Jahrzehnten populärer Sound in neuem Gewand seine Auferstehung feiert.

Eine Extraportion Psychedelia. Für FreundInnen mit einem ausgeprägten Faible für psychedelische Musik, gemixt mit druckvollem Folkrock, erscheint das internationale Debüt von Umut Adan eventuell noch eine Spur spannender. Es nennt sich „Bahar“ (Riverboat/World Music Network). Der Singer/Songwriter und Gitarrist ist nicht nur deutlich hörbar vom anatolischen Rock-Movement der 1960er Jahre beeinflusst, sondern hat wirklich alle psychedelischen Ingredienzen intus, die alles noch spannender machen – und Adan trägt es auf phänomenale Art und Weise ins Heute. Er spielt akustische und Elektrik-Gitarren, Perkussion und nicht zuletzt Mellotron. Auf dem Album ein nicht unwichtiges Instrument, das auch von Mitmusiker und Mitproduzent Marco Fasolo gespielt wird. Gut zu hören auf einem Lieblingssong von Umut Adan, „Güneş“, das ansonsten insbesondere durch feines Fuzz-Gitarrenspiel besticht.

Entstanden ist ein klassisches psychedelisches Album, das trotzdem keinesfalls wie aus der Zeit gefallen erscheint, sondern ganz im Heute lebt.

Auch politische Botschaften fehlen nicht. Freilich ermöglicht der Umstand, dass Umut Adan in Italien lebt, einen etwas freieren Blick auf seine Heimat. „Bahar“ ist ein Meisterwerk, nicht zuletzt durch die hervorragende, in London entstandene Produktion, für die insbesondere Liam Watson verantwortlich zeichnet, bekannt auch durch die Arbeit mit der Rockband The White Stripes.

Werner Leiss ist Musikkritiker des Südwind-Magazins und Redakteur des „Concerto“, Österreichs Musikmagazin für Jazz, Blues und Worldmusic.

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