Wie die Gefängnisindustrie von Inhaftierten profitiert. Der Autor und Gefängnis-Aktivist Kenneth E. Hartman kritisiert das Justizystem in den USA scharf
Die USA stecken einen größeren Teil ihrer Bevölkerung ins Gefängnis als jeder andere Staat. Obwohl die US-AmerikanerInnen weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung stellen, leben hier ungefähr 25 Prozent der Gefangenen dieser Welt. Wie der frühere Senator James Webb feststellte, sind wir entweder besonders böse Menschen oder es läuft etwas schrecklich schief in unserem Justizsystem.
In den 1920ern hielt der damalige Präsident Calvin Coolidge fest, dass das wichtigste Geschäft der US-AmerikanerInnen das Geschäftemachen an sich ist. Das gilt auch für unsere Gefängnisse. Die logische Folge ist der „prison-industrial complex“, eine Gefängnisindustrie, die aus Gefängnissen und den dort stattfindenden Aktivitäten Profit schlägt. Das Geschäftsmodell basiert auf einer unvorstellbaren Menge an Menschen, die für unverhältnismäßige Zeiträume eingesperrt werden.
Um dies sozial akzeptabel zu machen, wurde eine ausgefeilte und gut orchestrierte Kampagne von den ProfiteurInnen und ihren politischen HelferInnen gefahren, um Inhaftierte zu diskreditieren. So verwundert es nicht, dass in der Vorstellung eines Großteils der Öffentlichkeit in diesem Land Gefangene weniger als Menschen sind und weniger wert, würdevoll behandelt zu werden.
Kenneth E. Hartman hat bereits mehr als 37 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht. Er wurde zu einer lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit auf Begnadigung verurteilt, nachdem er als 19-Jähriger in einer Schlägerei unter Drogeneinfluss einen Mann getötet hatte. Für seine Memoiren „Mother California: A redemption behind bars“ erhielt er mehrere Auszeichnungen. Der Autor kann – indirekt – unter kennethehartman@hotmail.com kontaktiert werden, mehr zu ihm und seinen Publikationen findet sich unter kennethehartman.com.
Da Hartman selbst keinen Zugriff auf E-Mails hat – seine Online-Kommunikation wird von Freiwilligen ermöglicht – und er seinen fertigen Text schließlich auf dem Postweg nach Österreich schickte, verzögerte sich die Publikation dieses Kommentars. Ursprünglich war geplant, ihn als Teil des Dossiers im SWM 3/17 (Gefängnisse in der Krise) zu veröffentlichen.
Unmenschlich. Es ist kein Geheimnis, dass US-amerikanische Gefängnisse zu den unmenschlichsten und gewalttätigsten in der industrialisierten Welt gehören. Die Vereinten Nationen und viele Menschenrechtsorganisationen haben mehrmals in Berichten die Misshandlungen hier aufgezeigt. Vor kurzem hat das US-Fernsehnachrichtenformat „60 Minutes“ eine Reportage über den deutschen Strafvollzug gebracht. Die Bedingungen waren fair und darauf ausgelegt, ein gewisses Niveau an Menschlichkeit zu halten. Aber der größte Unterschied wurde durch die Wortmeldungen des Gefängnispersonals deutlich. Ein Mitarbeiter sagte: „Wir sehen die Männer und Frauen in unseren Gefängnissen als unsere Brüder und Schwestern.“ Kein Angestellter in einem US-Gefängnis würde etwas Ähnliches sagen.
Kaputtes System. Die USA haben ein kaputtes und dysfunktionales Strafjustizsystem, das internationales Recht verletzt. Wir stecken zu viele Menschen ins Gefängnis, darunter viel zu viele Menschen dunklerer Hautfarbe, für viel länger als es die Gewährleistung der Sicherheit unserer Bevölkerung erfordern würde. Die Gefängnisindustrie hat die Bevölkerung dazu gebracht, zu denken, dass Millionen Menschen nicht resozialisierbar sind. Es ist ein trauriger Zustand in einem Land, das Abraham Lincoln als „die letzte und beste Hoffnung der Welt“ bezeichnete.
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