Salah Ammo erzählt in seinen Kompositionen von den Sehnsüchten eines Menschen, der flüchten musste und eine neue Heimat fand. Sonja Dries hat den syrischen Musiker getroffen.
Wenn man Salah Ammo fragt, warum er Musik macht, sagt er, dass er als Musiker geboren wurde. Er erzählt mit leuchtenden Augen, wie er sein erstes Instrument, eine Tanbur, aus Karton und den Strängen seiner Fahrradbremse gebaut hat. Und man will ihm glauben.
Salah Ammo wurde 1978 in Darbasiyah, einem Dorf im Nordosten Syriens, in einer kurdischen Familie geboren. Nach seinem Schulabschluss studierte er für ein Jahr Agrartechnik, weil sein Vater wollte, dass er etwas Sinnvolles lernt. Doch Ammos Herz schlug in einem anderen Rhythmus. Während seiner Zeit in Damaskus, 750 Kilometer entfernt von seinem Heimatdorf, begann er, private Musikstunden bei einem Bouzuk-Lehrer zu nehmen. Er beherrschte das Lauteninstrument so schnell und so gut, dass der Lehrer ihm nahe legte, sich am Konservatorium zu bewerben. Und Salah Ammo schaffte die Aufnahme – ohne musiktheoretische Ausbildung, mit seinem Talent.
Als Ammo seinem Vater davon erzählte, verstieß dieser ihn für ein Jahr aus der Familie. „Das Studium war eine große Herausforderung. Ich stand jeden Tag um fünf Uhr auf, um zu üben“, erinnert sich Ammo. Nach seinem Abschluss fing er an, in Homs an der Musikakademie zu unterrichten und gründete die Gruppe Joussour. Das Ensemble bestand aus acht Personen aus acht verschiedenen Ethnien. Joussour begann, Konzerte zu geben und hatte schnell einen guten Ruf. Auch in der Oper von Damaskus und außerhalb Syriens trat die Gruppe auf.
Kein Platz für Kreativität. Heute sind nur noch zwei Mitglieder von Joussour in Syrien. Alle anderen sind geflohen. „Ein Flüchtling zu sein ist kein gutes Gefühl. Etwas in dir verändert sich. Du hast studiert und viel gelernt, du hast Wissen in dir und Können, doch wenn du zusammen mit 50 anderen Personen vor der Polizei stehst, wirst du plötzlich zu einem Stein, du hast keine Fähigkeiten mehr, keinen Wert“, erinnert sich Ammo an seine Ankunft im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Drei Monate lang war er niemand. Man hatte ihm seinen Pass und seine Papiere abgenommen, seine Identität. „Wäre ich nicht so tief in meiner Persönlichkeit gefestigt gewesen, wäre ich durchgedreht“, sagt Ammo. Früher hatte er immer versucht, sich aus politischen Fragen herauszuhalten. Doch als 2011 die Revolution begann und seine Freunde, seine Nachbarn, Angehörige seines Volkes getötet wurden, konnte er das nicht mehr tun. Salah Ammo hörte auf, Musik zu machen, weil er das syrische System nicht unterstützen wollte, indem er in dessen Konzerthäusern spielte und weil seine Kreativität dort keinen Platz mehr fand.
Als Ammo Syrien verließ, glaubte er noch daran, nach einem halben Jahr zurückzukommen, wenn die Situation sich beruhigt. Heute schließt er eine Rückkehr aus.
Am richtigen Ort. „Ich habe das Gefühl, dass all die Menschlichkeit eine Lüge ist“, heißt es in einem von Ammos Liedern. Mit dem Rhythmus seines Lebens hätte sich auch der Rhythmus seiner Musik verändert, die nach seiner Ankunft in Österreich von Melancholie geprägt war. Durch den Krieg hatte Salah Ammo alles verloren.
Der Musiker Peter Gabis war der erste Mensch, der Ammo wieder das Gefühl gab, am richtigen Ort zu sein. Sie lernten sich nach einem Konzert Gabis’ kennen, der ihn kurz darauf einlud, gemeinsam zu musizieren. Schnell und unkompliziert entwickelte sich daraus ein Projekt, aus dem 2014 die CD „Assi“ entstand. Auch andere MusikerInnen unterstützten Ammo und gaben ihm ein Stück seines Vertrauens in die Menschlichkeit zurück. „Selbst in den dunkelsten Momenten gibt es immer ein Licht“, sagt Salah Ammo, und er hat es in Wien gefunden, seiner zweiten und seiner endgültigen Heimat, wie er hofft.
Am 3. September tritt Salah Ammo im Rahmen des Projekts „Syrian Links“ im Wiener Porgy & Bess auf. www.salahammo.com
Sonja Dries ist freie Journalistin in Wien.
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