Böse Hierarchien und der Preis der Partizipation

Von Redaktion · · 2014/05

Partizipation“ und „bottom-up“ („von unten nach oben“) sind angesagte Begriffe in NGOs, „Führung“ und „Hierarchie“ dagegen verpönt. Dies gilt besonders in der EZA, wo viele Projekte zu Misserfolgen wurden, weil Entscheidungen von oben nach unten („top-down“) durchgesetzt wurden, ohne die Betroffenen zu beteiligen.

In der Privatwirtschaft gibt es eine stärkere Hierarchie: Die Vorgesetzten tragen die Erfolgsverantwortung und bestimmen, „wo es langgeht“. Dies ruft bei MitarbeiterInnen zwar zuweilen Unmut hervor. Dass in einer Firma notwendige Entscheidungen in endlose Sitzungen ausarten, ist aber eher die Ausnahme. Zeit ist ja bekanntlich Geld!

Und im NGO-Bereich? Da akzeptieren wir, wenn überhaupt, nur flache Hierarchien, wir lieben es, wenn alle gleichberechtigt mitreden können. Führungskräfte in NGOs bezeichnen sich nur ungern als solche, sie genieren sich oft, von ihrer Weisungsbefugnis Gebrauch zu machen und tun sich schwer damit, weniger populäre Entscheidungen durchzusetzen. Dafür erhalten sie zwar Sympathiepunkte, allerdings um einen hohen Preis. Wenn Sie, werte Leserin, werter Leser, in einer NGO tätig sind, lade ich Sie zu folgender Denkaufgabe ein:

Überlegen Sie sich einmal, wie viel Arbeitszeit in Ihrer Organisation mit Besprechungen verbracht wird. Gehen Sie vom durchschnittlichen Bruttogehalt aus, schlagen Sie noch 25% an Lohnnebenkosten drauf und überlegen Sie dann, wie viele Leute an den verschiedenen Sitzungen beteiligt sind, wie oft diese stattfinden und wie lange sie dauern. Wie hoch ist der Besprechungsaufwand pro Jahr in Euro?

Selbstverständlich können nicht alle Sitzungen gestrichen werden. Aber wenn es gelänge, die Besprechungszeit um mindestens ein Viertel zu reduzieren – wie viel mehr Zeit hätten die KollegInnen dann für ihre Arbeit? Welche Anschaffungen wären möglich, für die immer das Geld fehlt? Und, speziell in der EZA: Wie viel zusätzliches Geld stünde für die Projekte Ihrer Partnerorganisationen im globalen Süden zur Verfügung?

Wenn Ihnen das nun zu sehr nach Effizienz- und Leistungsdenken riecht oder Sie finden, solches Gedankengut passe nicht zur Philosophie Ihrer Organisation, dann möchte ich dem entgegen halten, dass die Mittel, die den EZA-Organisationen von öffentlichen Förderstellen und privaten Spenderinnen und Spendern anvertraut werden, für die lokalen Partnerorganisationen und Menschen im globalen Süden bestimmt sind. Und diesen schulden wir einen möglichst effizienten Mitteleinsatz, auch in unserer Besprechungskultur.

Dazu gehören gewisse methodische Grundlagen, etwa die ordentliche Strukturierung von Besprechungen und eine gute Moderation. Und: Die Akzeptanz eines Mindestmaßes an Hierarchie und Führung, auch (oder gerade?) in NGOs.

Thomas Vogel ist Lektor und langjähriger Praktiker in der Entwicklungszusammenarbeit. Abwechselnd mit Petra Navara und Friedbert Ottacher setzt er sich an dieser Stelle kritisch mit Theorie und Praxis dieses Arbeitsfelds auseinander.

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