Tomás González
Roman. Aus dem Spanischen von Rainer und Peter Schultze-Kraft. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2012, 172 Seiten, EUR 18,50
David, seine Frau Sara und die drei Söhne Arturo, Pablo und Jacobo übersiedeln aus dem heimatlichen Kolumbien in die Vereinigten Staaten, wie Millionen ihrer Landsleute auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben. Zuerst nach Miami, dann nach New York.
In dem eben erschienenen Roman von Tomás González steht diese kolumbianische Familie im Mittelpunkt, die in den Vereinigten Staaten ein zufriedenes Dasein führt, basierend unter anderem auf einem engen familiären Zusammenhalt und auf der tiefen unerschütterlichen Liebe zwischen David und Sara. Bis die Katastrophe in ihr Dasein eintritt. Der älteste Sohn Jacobo wird bei einem Autounfall zum Krüppel gefahren. Nach drei Jahren schlimmster Schmerzen verliert er die Hoffnung auf Besserung und beschließt, seinem leidvollen Leben ein Ende zu setzen.
Der Autor erzählt in seiner dichten, atmosphärischen, ergreifenden Sprache über das Leiden, das durch Jacobos Unfall in die Familie eintrat. „Mich hatte wieder der Schmerz mit all seiner Macht erfasst, und die Flammen brannten wieder in meinem Innern, manchmal mehr auf der einen Seite, manchmal mehr auf der anderen, und nahmen mir die Luft weg“, schildert David seinen Zustand in jener Nacht, für die Jacobos Befreiungstat im fernen Bundesstaat Oregon geplant ist. In diesen Haupterzählstrang sind immer wieder Einblendungen aus einer Kleinstadt in der Nähe von Bogotá eingebaut, in die sich der Maler David zurückgezogen hat und wo er, bei fortschreitendem Verlust der Sehkraft, seinem Ende entgegen lebt.
Tomás González schafft es, mit der ihm eigenen Meisterschaft Räume intensiver Empfindung zu schaffen. Bei ihm steht die Condition humaine im Zentrum seines Schaffens, die menschliche Existenz schlechthin. Sein Thema sind die großen Gefühle unseres Daseins, auch wenn sie oft ganz klein und leise auftreten: die Liebe, die menschliche Solidarität, das Sterben.
Dem stillen, zurückgezogen in der Nähe von Bogotá lebenden Autor ist mit diesem letzten Roman ein Meisterwerk der zeitgenössischen Literatur gelungen. González hatte dabei das Glück, von Anfang an in Peter Schultze-Kraft einen unermüdlichen Mentor und kongenialen Übersetzer gefunden zu haben.
Werner Hörtner
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